Viele Mitglieder gehen Kirche liefert selbst die Austrittsgründe
Meinung | Bonn · Die katholische Kirche in Deutschland hat die Austrittszahlen des vergangenen Jahres veröffentlicht: Danach kehrten 522.821 Menschen der Kirche den Rücken.
Tatsächlich gibt es immer noch Versuche der katholischen Kirche, die jüngsten Austrittszahlen in behutsamere Worte zu fassen. Wie: leichte Zuwächse bei den Taufen, ein bisschen mehr kirchliche Trauungen, etwas mehr Kommunionkinder. Als werde durch Kosmetik etwas nicht ganz so schlimm, was nur katastrophal zu nennen ist. 522.821 Austritte! Wieder einmal neuer Rekord hierzulande, und das in allen Bistümern, im Erzbistum Köln besonders. Die Kirche schrumpft immer schneller, da hilft keine Schönrednerei.
Und so hoffnungslos es klingt: Künftig werden daran selbst mutige Reformen – so sie denn umgesetzt werden – nichts grundlegend ändern. Das Vertrauen in Institutionen erodiert ja seit langem, weil Bindung insgesamt als einengend, unzeitgemäß empfunden wird. Wenn aber Institutionen wie die Kirche ihr Fundament einbüßen, ihre Glaubwürdigkeit, ist die Marginalisierung nicht mehr aufzuhalten. Dass die christlichen Kirchen mehr und mehr aus der breiten öffentlichen Wahrnehmung verschwinden, wird den Abwärtstrend verstärken. Was sich in der Gesellschaft und für unser Zusammenleben ändern wird? Vermutlich nicht allzu viel, sagen Religionssoziologen. Es geht also auch ohne Kirche, sogar ohne Glauben? Das muss jeder für sich entscheiden, aber es wird womöglich doch eine Veränderung im gesellschaftlichen Klima mit sich bringen, weil mit der Kirche Räume für Begegnung, Gemeinschaft, Solidarität verlorengehen.
Hoffnung machen immer noch vitale Gemeinden, weniger hohe Würdenträger, von denen manche bis heute systemische Gründe für den Missbrauchsskandal bezweifeln. Die Kirche selbst liefert also weiterhin triftige Gründe für einen Austritt. Vielleicht tut bisweilen auch Abstand gut, einen neuen Blick aufs Evangelium zu bekommen, auf die frohe Botschaft. Sie steht im Zentrum einer Kirche, die viele Chancen vertan hat, sich darauf zu besinnen.