Weltglücksreport Warum Deutschland eigentlich nicht in die Top 20 gehört

Meinung · In Finnland, Dänemark und Island leben die glücklichsten Menschen der Welt, das jedenfalls besagt ein Report unabhängiger Wissenschaftler zum Weltglückstag. Ihre Datengrundlage ist solide – in einem ehrlichen Ranking wären die Deutschen allerdings nicht auf Platz 16.

 In Finnland leben die glücklichsten Menschen der Welt - umgeben von viel Natur.

In Finnland leben die glücklichsten Menschen der Welt - umgeben von viel Natur.

Foto: dpa

Glück ist ein großes Wort. Das sich aber durchaus sehr kleinteilig und wissenschaftlich zerlegen lässt. Glücklichsein – nicht das Zufallsprinzip Glück – lässt sich nämlich anhand eindeutiger Indikatoren messen. Sechs Schlüsselfaktoren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des führenden US-Meinungsforschungsinstituts Gallup ausgemacht, um das Glücksempfinden ganzer Nationen zu bestimmen: soziale Unterstützung, Einkommen, Gesundheit, Freiheit, Großzügigkeit und die Abwesenheit von Korruption sind laut der Forscher entscheidend dafür, wie glücklich Menschen in einem Land leben.

Die Ergebnisse, die stets am von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Tag des Glückes präsentiert werden, sind im Grunde wenig überraschend: Am glücklichsten sind die Menschen in den nordischen Ländern. Finnland, Dänemark, Island führen das weltweite Ranking an, es folgen Israel, die Niederlande, Schweden, Norwegen, die Schweiz, Luxemburg und auf Platz zehn Neuseeland. Auch die Plätze elf bis zwanzig sind bis auf Australien, Kanada und USA ausschließlich mit mitteleuropäischen Ländern besetzt. Stabile Demokratien also, in denen Rechtsstaatlichkeit, eine gute Gesundheitsversorgung und soziale Absicherung elementar verankert sind. Diese Werte können sicher zufriedenstellen, aber machen sie wirklich glücklich?

Für das „Glücksempfinden“, wie es die Forscher nennen, gehört aber noch mehr dazu. Jemanden zu haben, auf den man in schweren Zeiten zählen kann, gehört demnach ebenso dazu wie die Freiheit, Lebensentscheidungen zu treffen, ohne Diskriminierungserfahrungen zu machen. In Finnland, dem „Land der Tausend Seen“ ist das gut vorstellbar. Die Lebensqualität der 5,5 Millionen Einwohner verteilt auf einer Fläche von Deutschland ist anhaltend hoch – die Finnen sind schließlich zum sechsten Mal in Folge auf Platz eins. Woran genau das liegt, ließen die Forscher offen. Die Gegebenheiten des Landes, das rund 3000 Kilometer gemeinsame Grenze mit Russland hat, lassen die Glücksformel vermuten: 18 Einwohner pro Quadratkilometer bedeuten viel Platz, viel Natur. Sauna, Wintersport, Eisbaden, Angeln, Jagen, Rudern gehören hier zum Alltag wie Mitternachtssonne und Polarlichter zu den Jahreszeiten.

Sicherheit, Bruttoinlandsprodukt und das Maß an Korruption mögen besser sein als etwa in Deutschland. Entscheidender für persönliches Glück scheinen aber Grundhaltungen. So gelten die nordischen Länder als weniger wettbewerbsorientiert, der Beruf ist nicht die Hauptsache, Elternzeiten werden viel großzügiger und gleichberechtigter verteilt. Der Glücksbericht zeigt, dass die Finnen auf gesellschaftliche und staatliche Institutionen bauen und sich eher mit Wenigem zufriedengeben. Unter diesem subjektiven Gesichtspunkt ist Deutschland auf Platz 16 noch viel zu weit oben gelandet. Ist die Nation hier doch seit der Flüchtlings- und Corona-Krise teilweise tief gespalten. Verschwörungsgläubige und Populisten verzeichnen Zulauf, drängende Klimafragen und der russische Angriffskrieg tragen zur Polarisierung bei. Auch die Fixierung auf Erfolg und Karriere ist in der Mentalität der Deutschen tief verwurzelt. Anspruch auf vier Wochen staatlich festgelegten Sommerurlaub wie in Schweden? Hier undenkbar, wobei die Ferien vielen natürlich schon heilig sind. Wenn Glück auch Einstellungssache ist, können die Deutschen an ihrer Erwartungshaltung arbeiten – und immerhin zufriedener werden.

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