Vorstoß in Niedersachsen Ein CDU-Politiker, der Landrätin ist
Meinung | Düsseldorf · Im Kreis Rotenburg in Niedersachsen wird seit Anfang des Monats in internen Dienstvorschriften für Personenbezeichnungen nur noch die weibliche Form verwendet. Der Vorstoß betrifft wenige – die Aufregung ist aber groß.
Über kaum ein Thema wird in Deutschland so erbittert und vehement gestritten, wie über das generische Maskulinum. Die Kritik lautet, dass Formulierungen wie „die Sänger“ oder „die Studenten“, alle nicht-Männer ausschließen. Gender-Gegner und Gegnerinnen argumentieren wiederum, dass es sich dabei lediglich um eine grammatische Formulierung handelt – mit dem biologischen Geschlecht habe das nicht zu tun. Im Kreis Rotenburg in Niedersachsen gibt es nun einen ungewöhnlichen Vorstoß.
Auf Initiative des Landrats Marco Prietz wird in den internen Dienstvorschriften der Kreisverwaltung ab Anfang Oktober nur noch das generische Femininum verwendet. Aus Amtsleiter wird also Amtsleiterin. Aus Dezernent, Dezernentin. Und Landrat Prietz höchstpersönlich wird in diesem Dokument zur Landrätin.
Ganz neu ist die Idee aus Rotenburg nicht. So verfasste bereits 2020 das Bundesjustizministerium – zu diesem Zeitpunkt noch unter Führung von Christine Lambrecht (SPD) – einen Gesetzesentwurf im generischen Femininum. Damals hagelte es Kritik. Das von Horst Seehofer geführte Innenministerium äußerte zudem rechtliche Bedenken.
Ganz so groß dürften die Dimensionen beim Vorstoß in Rotenburg wohl nicht werden. Mit dem Schritt reagiert die Kreisverwaltung lediglich im kleinen Rahmen auf das, was am generischen Maskulinum kritisiert wird. Denn dort ist mehr als die Hälfte der Beschäftigten weiblich. Zur Abwechslung müssen sich jetzt einmal die männlichen Kollegen daran gewöhnen, einfach mitgemeint zu sein. „Natürlich klingt das auch für mich zunächst komisch“, schreibt Landrat Marco Prietz in einem entsprechenden Post auf Instagram. „Aber ganz ehrlich: Warum müssen immer nur die Frauen mit der Erklärung zurechtkommen, dass auch sie umfasst sind?“
Die Argumentation kann man nachvollziehen. Der Vorstoß ist sicher wertschätzend gemeint. Witzig klingt es allemal. Und trotzdem: Ein Meilenstein auf dem Weg zu einer gerechteren Sprache ist er sicher nicht.
Zwar könne man den Schritt als Ausgleich für die vergangenen Jahrhunderte mit männlichen Formulierungen betrachten, sagte auch die Vorsitzende des Landesfrauenrats Niedersachsen, Barbara Hartung, dem NDR. „Aber wir plädieren für eine Sprache, wo Mann und Frau sichtbar werden.“ Wenn man sich schon die Mühe macht, umzudenken und sich an neue Formulierungen zu gewöhnen, sollte man nicht ins andere Extrem umschwenken – und diesmal die männliche Hälfte der Bevölkerung ins sprachliche Abseits manövrieren. Ganz zu schweigen davon, dass nicht-binäre Personen auch hier wieder nur „mitgemeint“ werden. Der Vorstoß aus Rotenburg regt zum Nachdenken und Umdenken an. Mehr aber auch nicht.
Die Kommentarspalte unter dem Instagram-Post von Marco Prietz ist trotzdem übervoll. Die Meinungen reichen von „tolle Aktion“ bis zu „Die deutsche Sprache stirbt“ und „Gibt es nichts Wichtigeres?“. Vor allem zeigen die rund 1000 Kommentare auf dem sonst eher kleinen Account aber eines: Die Kritik, dass das „Gender“-Thema nur von der Politik künstlich aufgebaut wird, straft sich selbst Lügen: Ja, die Debatte über Formulierungen, Endungen und Bezeichnungen mag nerven. Vermutlich wird sie allein auch die Welt nicht retten. Aber: Das Bedürfnis, darüber zu sprechen, ist da. Die interne Dienstanweisung im Kreis Rotenburg hat keinerlei Effekt auf die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern nach außen. Niemand außer der Angestellten ist davon betroffen. Eine Meinung dazu hat aber trotzdem jeder. Und jede.