Rheinische Lösung Hauptsache ist, das Herz ist gut

Meinung · Die Rheinländer entscheiden nicht nur mit dem Verstand, sondern wollen auch ein gutes Gefühl dabei haben und niemandem wehtun. Das macht sie in Augen anderer unbestimmt und unverbindlich.

 Rheinische Seelen haben es in diesen Zeiten schwer, meint unser Autor.

Rheinische Seelen haben es in diesen Zeiten schwer, meint unser Autor.

Foto: dpa/Jonas Güttler

Die Wahrnehmung eines Menschen, heute gern in Wertschätzung bemessen, ist im Rheinland vor allem eins: eine Frage der Zuneigung und damit Herzenssache. Ob jemand akzeptiert, geachtet, gemocht und geschätzt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er ne echte Käel oder sie e leev Mädsche ist. Maß aller Dinge ist damit die Herzlichkeit. Einsatz und Fähigkeiten sind zwar wichtig, aber hinzukommen muss, was der rheinischen Seele innewohnt: die Fähigkeit, auf den anderen zuzugehen, ihn in den Arm zu nehmen und mit ihm gemeinsam das Beste aus der Situation und der Aufgabenstellung zu machen.

Klingt einfach, ist aber schwer. Allzu schnell wird, wer solchermaßen rheinisch handelt, zwar als nett, häufig aber auch als unbedarft wahrgenommen. Dann heißt es: Wo bleibt das Kämpferische? Dann wird gar der Versuch, zwischen wiederstreitenden Meinungen zu vermitteln, als unbestimmt und unverbindlich beurteilt. Höchststrafe ist am Ende das Etikett „rheinische Frohnatur“, das gleichgesetzt wird mit unseriös und unzuverlässig. Rheinische Seelen haben es in diesen Zeiten schwer. Dabei meinen sie es meistens gut, wollen aber jede Missstimmung vermeiden.

Zwei spezifische Eigenschaften des Rheinländers sind dabei bestimmend. Erstens: Man sagt ungern Nein. Lieber redet man drumherum, um dadurch das harte Wort zu umschiffen. Die Kompromissformel lautet dann: „Wir gucken mal …“ Rheinländer verstehen: Das gibt wohl nichts, Westfalen hoffen weiter. Zweitens: die rheinische Logik. Recht behält, wer am besten und längsten erzählen kann. Du findest eine plausible Erklärung für etwas, was so an sich nicht richtig ist. Adenauer konnte das bestens. Als Kölner OB überzeugte er die Kommunisten im Stadtrat, einem teuren Brückenbau zuzustimmen, weil das Modell des Bauwerks angeblich von den Sowjets kam. Ein bisschen Schlitzohr darf der Rheinländer also sein. Wesentlich aber ist, dass alles freundlich dargeboten wird und am Ende keiner böse sein kann. Wie es heißt es so schön: De Hauptsach ess, ett Hätz ess jood, denn doropp kütt et an …

Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.

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