Pro und Kontra Was gegen ein Frauenverbot im Kölner Dreigestirn spricht

Meinung | Köln/Düsseldorf · Der Karneval wird von Männern dominiert. Um das zu brechen, wird in Köln über den Bruch einer langjährigen Tradition diskutiert: nämlich ob Prinz, Bauer und Jungfrau immer nur Herren sein müssen. Eine gute Idee? Pro und Kontra.

Karneval in Köln 2024: Weiberfastnacht – die schönsten Kostüme des Tages
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Weiberfastnacht in Köln – die schönsten Kostüme

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Foto: dpa/Florian Gut

Pro – von Horst Thoren

Solange (aus voller Lust) im Kölner Karneval gesungen wird, „Donnerstag wird die Ahl jepopp und Freitag gibt es Fisch“, braucht Mann sich über Emanzipation keine Gedanken zu machen. Alle noch so zaghaften Versuche, Frauen in die erste Reihe und aufs Treppchen zu lassen, blieben bislang erfolglos. Die Damen sollen vor allem eins sein, lecker Mädsche, dürfen als solche bützen und tanzen oder in der Rolle der couragierten Mamm frechfrivole Reden halten. Auch lustige Lieder können durchaus zur Aufführung kommen. Mehr ist derzeit nicht drin. Hier zählt allein die Tradition. Da sind die Kölner Karnevalisten konservativ als die katholische Kirche. Im Dreigestirn oder am Altar haben Frauen in Köln nichts verloren.

Insoweit haben Kuckelkorn und Woelki viel gemeinsam. Der eine sitzt als Präsident dem Festkomitee vor, der andere als Kardinal der Kölner Kirche. Was in Köln bedeutsamer ist, kann in diesen Zeiten eindeutig beantwortet werden: Der Karneval hat mehr Zulauf, die Kirche vor allem Abgänge. In der Abteilung schlechte Witze ließe sich deshalb über Kuckelkorn und Woelki trefflich lästern, beide seien Totengräber – der eine von Beruf, der andere für seine Institution. Zur Erklärung: Der Präsident des Festkomitees ist Inhaber eines Bestattungsunternehmens.

Zurück zum förmlichen Frohsinn: Bis auf das wirklich wunderbare Motto „ov krüzz oder quer“ läuft zum 200-jährigen des Kölner Karnevals alles in gleichen geordneten Bahnen. Dabei hätte ein Buchstabe gereicht, um mit „queer“ die Weltoffenheit zu präsentieren, die der doch so liberale Kölner Fastelaerl für sich in Anspruch nimmt. Es reicht halt nicht, eine selbstbewusste Dragqueen auf die Bühne des Gürzenich zu stellen und eine rockige Karnevalsröhre aus Grevenbroich ins glitzernde Abendkleid zu stecken und über Ihren Traum vom (weiblichen) Prinzsein singen zu lassen. Zitat; „Ich wünsch´mir nur, eimol Prinz ze senn, in ´nem Dreijesteen voll Östrogen“. Das wird wohl dauern. Der Präsident vertröstete auf „irgendwann“, Kölns Oberbürgermeisterin kann sich einen weiblichen Prinzen zwar vorstellen, sieht aber auch die Hemmnisse. Der Kölner Karneval hat da ein strukturelles Problem, anders als viele Vereine im Umland.

Letztlich scheitert die weibliche Narrenherrschaft vor allem daran, dass viele Vereine gar keine Frauen aufnehmen. Lieber schmort man weiter im Treibhaus rustikalen (männlichen) Humors. Selbst Peter Brings von „Brings“ sieht im Fastelovend die unveränderte allgemeine Männerdominanz. Das ließe sich ändern, wie einmal ein Priester als Präsident einer großen Gesellschaft bewiesen hat: Die Satzungsänderung wurde mit Mehrheit verabschiedet. Eine solche Revolution ist jüngst in Neuss bei den Schützen gescheitert, obwohl der dortige Präsident so sehr um die Öffnung zumindest der passiven Mitgliedschaft geworben hatte. Vormals wurde doppeldeutig argumentiert: Das Prinzenamt sei für eine Frau nicht passend – mit 450 Auftritten viel zu anstrengend fürs schwache Geschlecht und deutlich zu extrovertiert, um für eine Dame als schicklich zu gelten. Beides haben die wilden Wiever längst widerlegt.

Es gilt eine Kölner Überzeugung zu überwinden, die jeder Veränderung entgegen steht: Kenne mer nett, bruche mer nit, fott damött. Am Ende kann die Jungfrau ruhig Mann bleiben. Das zeigt die gewünschte Diversität. Wichtiger erscheint, dass Prinz Charming auch mal weibliche Züge zeigt. Es ist an der Zeit, die Auswahlkriterium für Prinz und Dreigestirn anzupassen - allein Herz und Humor sollten entscheidend sein. Etwas Hirn kann auch nicht schaden, schon das spricht für mehr Frauen. Letztlich darf die Frage nach der sexuellen Identität ruhig unbeantwortet bleiben. Beim Spaß an der Freud ist das ganz egal.

Kontra – von Martin Kessler

Um es gleich klar zu sagen: Der rheinische Karneval (und vermutlich auch der anderswo) ist eindeutig zu männlich. Traditionscorps wie die Roten Funken aus Köln lassen bis heute keine Frauen als Mitglieder zu. Das ist veraltet und hat nichts mit Traditionspflege zu tun. Auch die Präsidentenämter des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC) und des Festkomitees in Köln sollten endlich einmal von Frauen besetzt werden. Sie können, da hat der Kölner Mundart-Rocker Peter Brings recht, durchaus witziger und schlagfertiger sein als die Männer.

Wenn man so argumentiert, dann sollte doch auch das Kölner Dreigestirn, die zentrale Institution des Karnevals in der Domstadt, weiblicher werden – entweder alle drei oder doch zumindest eine der beteiligten Figuren. Das ist auch die Forderung der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Das ist sicher eine grundsätzlich berechtigte Forderung. Aber bevor man sie umsetzt, sollte man auch vorurteilsfrei prüfen, was dagegen spricht. Das Dreigestirn, der Stolz des Kölschen Fasteleers, hat eine ganz spezielle Tradition. Es ist im Grunde eine Persiflage auf die Obrigkeit und stellt das närrische Gegenstück zur offiziellen Stadtregierung dar. Der Prinz regiert nur im verrückten Ausnahmezustand. Ihm zur Seite stehen der Bauer als Symbol der Wehrhaftigkeit und die Jungfrau als Zeichen der Uneinnehmbarkeit der Freien Reichsstadt Köln. Darin schwingt aber jede Menge Ironie mit.

Die spezielle Form hat sich erst im Lauf der Geschichte herauskristallisiert. Vor rund 150 Jahren kamen Bauer und Jungfrau dazu. Dabei wird die Jungfrau, auch das ein Stück Ironie, von einem Mann repräsentiert. Man mag im männlichen Trifolium eine maskuline Dominanz sehen. Doch genauso gut kann man es als ironisch bewerten, dass eben drei verrückte Männer die Stadt regieren. Keine guten Aussichten.

In Köln macht die Besonderheit, dass die Jungfrau ein Mann ist, sogar die Diversität zur Tradition. Davon wollten die Nazis nichts wissen, weil sie in der männlichen Jungfrau eine Anspielung auf Homosexualität sahen und in den Jahren 1938 und 1939 die Rolle prompt durch eine Frau besetzen ließen. Das schien aus ihrer verqueren Logik das Natürlichere zu sein. Aber Karneval ist dem Wesen nach anarchisch und anders, aber auch traditionell. Aus dieser Spannung bezieht das närrische Treiben seine Anziehungskraft.

 Das Kölner Dreigestirn Prinz Boris I. (M, Boris Müller), Bauer Marco (r, Marco Schneefeld) und Jungfrau Agrippina (Andre Fahnenbruck) bei der Taufe des ersten ICE 3neo auf den Namen „Rheinland“.

Das Kölner Dreigestirn Prinz Boris I. (M, Boris Müller), Bauer Marco (r, Marco Schneefeld) und Jungfrau Agrippina (Andre Fahnenbruck) bei der Taufe des ersten ICE 3neo auf den Namen „Rheinland“.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Gerade die Diversität des Dreigestirns in einer Zeit, die alle Abweichungen von der Norm strikt ablehnte und sogar verbot, spricht für die Beibehaltung der jetzigen Form. Und diese Tradition wird zerstört, wenn die Besetzung der Figuren beliebig wird. Im Karneval ist grundsätzlich alles erlaubt. Damit das aber wirkt, sind einige wenige Traditionen umso wichtiger. Das Dreigestirn gehört dazu. Man sollte es so lassen, aber alles Andere viel weiblicher und diverser machen. Dann macht die Anarchie umso mehr Spaß.

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