Einkaufen in den Niederlanden Das Ende des Dosentourismus ist da!

Meinung | Düsseldorf · Zum 1. April gilt im Nachbarland nun endgültig auch eine Pfandregelung auf Dosen. Warum das nicht nur aus Umweltgründen zu befürworten ist – und welches Schlupfloch für Dosenfans trotzdem vorerst bleibt.

„Kein Pfand“ – solche Schilder gehören bald der Vergangenheit an.

„Kein Pfand“ – solche Schilder gehören bald der Vergangenheit an.

Foto: Gabriel Werner/Gabriel, Werner

Nein, es ist kein Aprilscherz. Und gerade zu Ferienbeginn müssen Urlauber sich in den Niederlanden auf eine einschneidende und bisweilen schmerzhafte Neuerung gefasst machen: die Einführung des Dosenpfands. Lange diskutiert, immer wieder abgewartet, dann zum Jahresende 2022 doch entschieden, wird es ab dem 1. April in die Tat umgesetzt. 15 Cent kommen pro Dose dann oben drauf, auf Flaschen gab es ohnehin bereits Pfand. Aber das dürfte die wenigsten interessiert haben.

Die Dose ist ein Lebensgefühl. Sie ist nicht aus Glas: politisch korrekt, aber gleichzeitig kompliziert und bruchgefährdet. Sie ist nicht aus Plastik: böse und umweltschädlich, sperrig und doch pragmatisch zusammenpressbar. Die Blechdose, gerade die 0,33 Liter-Cola- und Fantadosen sind vor allem eine Hommage an vergangene Zeiten, ein bisschen retro eben. Kinder der 90er werden sie an Schulhofpausen erinnern, an Bolzplatz- und Hinterhoftreffen, an die Zeit als Teenager, in der man cool sein wollte wie seine Idole aus den USA, die auf Basketballplätzen in Großstädten superstargleich an ihrer eisgekühlten Sprite nippen.

Dann kam das Jahr 2003: die „Pfandpflicht für Mineralwasser, Bier und kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke“ in Deutschland. Dass Coca Cola drei Jahre später auch noch das Design der 0,33 Liter-Dosen änderte, schlanker und höher, später gar in eine „25-cl-Sleek Can“, war der Anfang vom Ende. Die Durstlöscher-Generation wuchs heran. Und hielt sich an jene unwürdige, übergroße Papptrinkpäckchen der Sorten Kirsch-Banane, ACE oder Eistee Zitrone, die mit Tee, Früchten oder gar Vitaminen nun wirklich gar nichts zu tun haben. Nach denen man höchstens nach einer durchzechten Nacht Verlangen verspürt. Aber um den Inhalt geht es meist gar nicht.

Wer über die Grenze fährt, um bei den „2 Brüdern“ von Venlo einzukaufen, der tut das nicht, weil er Hunger oder Durst hätte. In den allermeisten Fällen gibt es auch keine Feier, kein Festivalbesuch oder sonstigen Anlass. Es geht schlicht um den Reiz der Angebote, die Jagd auf Schnäppchen, das Gefühl zu sparen. Dass die Ersparnis de facto schon mit der Autofahrt und den damit einhergehenden Spritkosten dahin ist, darum geht es hier gar nicht. Denn noch einmal: Die Dose ist ein Lebensgefühl. Und das gibt es in den Niederlanden (noch) zu kaufen, oft sogar im Retro-Design. So werden Heineken, Tuborg, Lipton und Monster-Energy palettenweise in die Einkaufswagen gepackt. An Wochenenden mitunter ganze Regiobahnen damit gefüllt.

Wer erst einmal 48 Dosen pfandfreien Eistee zu Hause hat, geht damit natürlich auch großzügiger um. Das hat zur Folge, dass mehr getrunken wird, selten ist das gesünder. Von daher ist die Einführung des Pfandsystems nicht nur ein Fortschritt in Sachen Umwelt. Auch der Gesundheit vieler Teenager wird sie womöglich zugutekommen. Für die ersten Festivals dieses Jahres besteht übrigens noch ein Schlupfloch: Alle Dosen ohne Pfandmarke dürfen in holländischen Supermärkten noch abverkauft werden – auch nach dem 1. April. Der Dosentourismus könnte als zunächst noch mal einen Höhepunkt erreichen.

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