Ethik-Professorin Christiane Woopen beim Digital Ethics Summit 2023 „KI wird nur die Welt beherrschen, wenn wir es zulassen“
Düsseldorf · So viele Vorteile Künstliche Intelligenz auch hat, sie kann auch Gefahren bergen. Immer wieder sprechen Experten davon, dass sie sich gegen die Menschheit verbünden könnte. Ethik-Professorin Christiane Woopen räumt beim Digital Ethics Summit mit Vorurteilen auf.

Impressionen vom Digital Ethics Summit 2023
Als Angela Merkel 2013 sagte, dass das Internet für uns alle noch Neuland sei, konnte sie nicht ahnen, wie viel Spott ihr das einbringen würde. Dabei lag sie damit gar nicht so falsch – das World Wide Web wirft mit all seinen Facetten bis heute ethische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen auf, die wir noch nicht vollständig beantworten können. Ähnlich verhält es sich mit Künstlicher Intelligenz (KI), die spätestens seit ChatGPT, dem Sprachmodell von Open AI, in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist: Bislang stellen wir uns viele Fragen über sie, aber die Antwort auf die meisten davon kennt noch niemand.
Ethik-Professorin Christiane Woopen, ehemalige Vorsitzende des deutschen und europäischen Ethikrates, forscht schon seit vielen Jahren dazu, wie KI unser Leben verändert. Beim Digital Ethics Summit der Rheinischen Post am Donnerstag wagte sie ein kleines Gedankenexperiment: Sie stellte der KI fünf Fragen über die Zukunft und arbeitete anhand dieser heraus, auf welche unvorstellbare Weise sich das Leben durch sie verändern könnte. Die erste lautete: „Liebe KI, was wird eigentlich aus unserer Arbeit?“ Zwar entlaste sie Beschäftigte von anstrengenden Aufgaben, ermögliche lebenslanges Lernen, mehr Freizeit und schaffe neue Berufe, sagte Woopen. Doch man müsse eben auch die andere Seite betrachten: KI lässt viele Jobs verschwinden, die wir heute noch gewohnt sind und sie könnte deshalb zu einer hohen Arbeitslosigkeit führen. Expertinnen und Experten seien sich da noch uneinig, doch Woopen plädiert dafür, dass man sich jetzt schon Gedanken macht: Welche neuen Berufsbilder könnte es geben? Welche Ausbildungsberufe müsste man neu schaffen? „Das geht alles nicht von heute auf morgen, deshalb müssen wir frühzeitig damit anfangen“, sagte Woopen.
Auch im Gesundheitsbereich ergeben sich laut der Ethik-Professorin viele Fragen. Einerseits kann man Krankheiten immer besser vorbeugen, KI erkenne sie bald auch schon frühzeitig – noch bevor die betreffende Person überhaupt daran erkrankt. Doch ist das immer gut? Wollen wir wirklich vorher wissen, dass wir an Alzheimer-Demenz erkranken, obwohl die nicht heilbar ist? „Vergessen wir unseren Autoschlüssel, erklären wir uns das meistens damit, dass wir schlecht geschlafen oder abgelenkt waren“, sagt Woopen. Doch wer weiß, dass er oder sie an Alzheimer erkranken wird, sieht darin vielleicht schon das erste Anzeichen. Gut möglich, dass das letztendlich zu einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung führt und das Wissen über die Erkrankung auch die gesunden Zeiten überschattet.
Hinzu kommen die Sorgen ums Klima. KI könne laut Woopen zwar sicherlich helfen, die Welt nachhaltiger zu machen – doch sie zu trainieren verbrauche unglaublich viel Energie. Und auch im Bereich Bildung tun sich einige Probleme auf: Schülerinnen und Schüler lernten vor allem dann, wenn sie eine moralisch-relevante Beziehung zur Lehrperson hätten. Sie beteiligten sich nicht vorrangig am Unterricht, weil es für ihr späteres Leben wichtig sei, sondern eher, weil sie sich eine positive Resonanz von Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Großeltern erhofften – von Menschen, die Werte haben, eine Meinung, die um Entschuldigung bitten können. All das könne eine KI nicht. Und auch für die Politik sei es wichtig, sich nicht auf sie zu verlassen. Negative Kommentare von Bots in den sozialen Medien, Fake News und Deepfakes – also realistisch wirkende Medieninhalte, die durch KI erzeugt oder verfälscht worden sind – belasteten die Demokratie. Woopen betont aber: „KI wird nur die Welt beherrschen, wenn wir es zulassen.“
Generell gebe es nicht „die eine Ethik der KI“ – wer sich mit den ethischen Fragen rund um Künstliche Intelligenz beschäftigte, müsse sich teils anstrengende Fragen stellen. Und sich mit seiner eigenen Menschlichkeit beschäftigen, denn: „Je mehr Maschinen können, desto mehr Mensch müssen wir werden“, sagt Woopen. Die Frage, wie ein sinnvolles Leben aussieht, könnten nur wir selbst beantworten.
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