Zinswende Die Zentralbanker handeln – endlich!

Meinung | Brüssel · Die EZB kündigt für Juli eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte an. Viel zu lange hat die Zentralbank versucht, Wachstum möglich zu machen statt die Preisstabilität zu garantieren. Die Zinswende wäre schon vor dem Ukraine-Krieg fällig gewesen.

Die Zentralbanker handeln – endlich!​
Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Endlich hat die Europäische Zentralbank reagiert. Viel zu lange haben die Notenbanker in Frankfurt der davoneilenden Inflation in Europa nur zugeschaut. Natürlich haben erst der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar dieses Jahres, der daraus folgende Anstieg der Energiepreise und der Mangel an Rohstoffen die Inflationsrate auf das aktuell exorbitant hohe Niveau getrieben. Aber die Preissteigerung lag schon in der zweiten Jahreshälfte 2021 doppelt so hoch wie die definierte Preisstabilität. Schon zu dieser Zeit hätten die Banker längst eingreifen müssen. Stattdessen haben sie uns immer mit dem Hinweis auf eine vorübergehende Erscheinung vertröstet. Dass sie nicht gehandelt haben, war ein Kardinalfehler, dessen Korrektur keinen Aufschub mehr duldet.

Die Zentralbanker haben sich selbst in eine unliebsame Lage manövriert. Es gab im vergangenen Jahr genug Möglichkeiten, die Zinswende einzuleiten. Die EZB hat sie verpasst, weil ihr in Verkennung ihrer eigenen Aufgaben der politische Zusammenhalt in der Eurozone offensichtlich wichtiger war als die elementare Pflicht, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten. Jetzt kann sie nur noch zwischen Not und Elend wählen. Sie kann weiter zuschauen, wie die galoppierende Inflation das Realeinkommen und -vermögen der Menschen in gewaltigem Ausmaß wegfrisst und damit die soziale Spaltung der Gesellschaft vorantreibt. Oder sie kann die Zinsen erhöhen und damit riskieren, dass in Zeiten von Krieg und gestörten Lieferketten die Konjunktur noch stärker erlahmt.

Sie hat sich für die zweite Alternative entschieden, und das ist bei aller Schmerzhaftigkeit gut so. Denn die EZB ist nicht dazu da, Wachstumsimpulse für Europas Wirtschaft zu setzen, sondern dazu, die Stabilität von Preisen und Währung möglichst dauerhaft zu sichern.

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