Kritik an deutscher Enthaltung bei UN-Resolution Ein leerer Platz an der Seite Israels

Meinung | Düsseldorf · Deutschland hat sich bei der Nahost-Resolution der Uno-Generalversammlung der Stimme enthalten, anstatt der eigenen Staatsräson zu folgen. Die Begründung der Außenministerin zeugt im besten Fall von Naivität.

Moritz Döbler
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Abstimmung einer Resolution während einer Vollversammlung der Vereinten Nationen.

Foto: dpa/Bebeto Matthews

Nach der Abstimmung in der Uno-Generalversammlung pries Annalena Baerbock die „klare Haltung“ Deutschlands. Im besten Fall zeugt ihre Wortwahl von Naivität, im schlechtesten von Zynismus. Sich zu enthalten, bedeutet, sich nicht zu entscheiden. Eine klare Haltung lässt die Außenministerin völlig vermissen. Die Bundesregierung verletzt die Staatsräson, zu der sich auch der Bundeskanzler bekannt hat. „In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz – den Platz an der Seite Israels“, hatte Olaf Scholz direkt nach dem bestialischen Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten versprochen. Drei Wochen später scheint das schon nicht mehr zu gelten.

Denn an der Seite Israels war Deutschland, anders als die USA, in der Uno-Generalversammlung nicht zu finden. Baerbock verweist darauf, man habe sich gemeinsam „mit vielen unserer europäischen Partner“ enthalten, nachdem die Arbeit an „einer ausgewogenen Nahost-Resolution“ gescheitert sei – aber das ändert nichts. Einmal mehr zeigt die Bundesregierung eine bestürzende Diskrepanz zwischen dem, was sie sagt, und dem, was sie tut. Die wertegeleitete Außenpolitik, der sie sich verschrieben hat, entpuppt sich erneut als wohlklingende rhetorische Figur ohne praktische Relevanz.

Am Leid der Zivilbevölkerung in Gaza besteht kein Zweifel. Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, es zu lindern und die Evakuierung praktisch zu unterstützen. Nur besteht zwischen dem Leid der einen und der anderen Seite ein fundamentaler Unterschied. Die Hamas-Kämpfer haben wie in einem Blutrausch Jagd auf die jüdische Zivilbevölkerung gemacht, sie haben ihre Opfer vergewaltigt, verstümmelt, aufgeschlitzt, verbrannt, enthauptet und erschossen. Die israelische Armee versucht nun, die existenzielle Bedrohung ihres Landes zu stoppen und die Geiseln zu befreien. Die Hamas hat einen Krieg entfesselt, dem auch die palästinensischen Zivilisten ausgesetzt sind.

Mehr noch: Das war ihre Absicht. Die Milizen verstecken sich zwischen und unter zivilen Einrichtungen, in Kellern und Tunneln, sie nutzen unschuldige Menschen als Schutzschild. „Die Terror-Angriffe der Hamas haben nicht nur schreckliches Leid über Israel gebracht, sie haben weltweit tiefe Gräben aufgerissen. Das ist Drehbuch und Kalkül der Terroristen, die einen Keil des Hasses zwischen uns treiben wollen“, erklärte Baerbock nach der Abstimmung in New York, und damit hat sie recht. Nur kann die Antwort nicht sein, sich rauszuhalten.

„Schreckliches Leid“ – dieser Baerbock-Begriff stellt überdies den Hamas-Angriff stark untertrieben dar. Das Volk, das die Shoah überstanden hat, erlebt ein neues Trauma. Und doch hat Israel keinen Rachefeldzug gestartet, gibt es keine Pogrome an Palästinensern, sondern soll einzig und allein die Hamas ausgeschaltet werden. Jüdische Zivilisten wurden getötet, weil sie Juden waren, palästinensische Zivilisten werden getötet, weil sie zwischen die Fronten eines von ihrer Regierung entfesselten Krieges geraten.

Dass die „zivile Ordnung“ Gazas angesichts der israelischen Belagerung zusammenbreche, wie es die Uno erklärt, verkehrt den Sachverhalt. Nach dem Abzug Israels gewann die Hamas Anfang 2006 die Wahl in den Autonomiegebieten mit absoluter Mehrheit. Fast zwei Jahrzehnte hatte sie Zeit, eine „zivile Ordnung“ herzustellen. Statt mit dem vielen Geld, das auch aus Deutschland nach Gaza floss, Wohlstand für die Menschen zu schaffen, entschied sie sich für Korruption, Hass, Terror und Krieg. Wie daraus endlich ein friedliches Miteinander in Nahost werden soll, im besten Fall als Zweistaatenlösung, über die schon seit Jahrzehnten vergeblich verhandelt wurde, lässt sich nicht absehen. Aber Deutschlands Platz an der Seite Israels, wie es der Bundeskanzler formuliert hat, darf nicht just dann leer bleiben, wenn es darauf ankommt.