CSU-Wahlkämpfer Markus Söder Die Social-Media-One-Man-Show
Analyse | Düsseldorf · Landesvater auf Facebook, Influencer auf Instagram, Kumpel auf Tiktok – Markus Söder kann alles sein, wie sich vor der Bayernwahl zeigt. Die CSU profitiert davon, an Prozentpunkten im Wahlergebnis wahrscheinlich jedoch weit weniger.
Markus Söder rülpst. Markus Söder tritt als Elvis auf, Markus Söder feiert Karneval als Shrek, er fährt Boot, hält ein Kruzifix hoch und sticht ein Bierfass an – all das in nur zehn Sekunden. Auf TikTok nämlich, in einem Clip namens „King of Bayern“, erstellt (und akustisch bearbeitet) von einem beliebigen User, zehntausendfach geklickt und gelikt. Dem bayrischen Ministerpräsidenten dürfte es gefallen, es hätte von ihm selbst stammen können: bunt, semiprofessionell, selbstironisch, ein authentischer Querschnitt aus seinem Leben, bis auf das Fake-Rülpsen vielleicht. Dass er, der CSU-Spitzenkandidat, mittlerweile für solche Vorlagen dient, selbst zum Internet-Meme geworden ist, zeigt im Grunde nur: Der Mann hat Social Media verstanden.

Das ist Markus Söder
Wer also über die Parteien im Online-Wahlkampf spricht, kommt an ihm nicht vorbei, das belegen so ziemlich alle Social-Media-Kanäle der CSU, die ihren Vorsitzenden gerade erst mit einem Rekordergebnis von 96,6 Prozent wiedergewählt hat. Zwar hat sich die Partei bei der analogen Wahlwerbung dazu entschieden, neben Landeschef Söder diesmal auch den anderen Großen, Bayerns barocken „Altvater“, abzubilden, nämlich den 1988 verstorbenen Franz Josef Strauß. Mit dem Zitat: „Wir wollen mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben.“ Im Internet aber ist nur ein einziger Mann omnipräsent, und der ist quicklebendig: Markus Söder.
Ob Facebook, Twitter (X), Instagram oder eben Tiktok, täglich liefert der CSU-Chef beziehungsweise sein Team Inhalte, ohne die Umfang und Aufbereitung der Söder-Show gar nicht möglich wäre. Die wird ganz offensichtlich nicht nur hochprofessionell, sondern auch passgenau für unterschiedliche Zielgruppen produziert: Auf Facebook, das am stärksten von Menschen zwischen 30 und 60 Jahren genutzt wird, gibt Söder den Landesvater. Der Schwerpunkt liegt hier auf politischen Themen, weniger auf privaten, dennoch mit stets persönlicher Note: Ein altes Foto aus seinem Kinderzimmer mit Strauß-Poster überm Bett, ein Geburtstagsgruß samt gemeinsamen Fotos an seinen Vorgänger Edmund Stoiber, Bilder und Informationen von Ortsterminen im Klosterarchiv, bei Landwirten oder bei Unternehmen; aber auch politische Statement-Kacheln setzt er dort ab. Wenn es eine Social-Media-Plattform für CSU-Kernwähler gib, dann ist es wohl Facebook.
Womit sich die Christsozialen von anderen Parteien absetzen, ist das gekonnte Auftreten auf Kanälen, die vor allem Menschen unter 30 und teils unter 18 Jahren nutzen – also nicht einmal Wahlberechtigte. Mit seinem Story-Board über Reisen, Essen, Fasching, Klimaschutz und Co. unterscheidet sich Söder kaum vom Durchschnittsinfluencer auf Instagram. Tägliche Mitschnitte aus dem Alltag lassen ihn nahbar wirken – und beinahe vergessen, dass dahinter ein wahrscheinlich sehr großes Team und ein hoher finanzieller Aufwand steht. Dass Söder gut 220.00 Euro Steuergelder im Jahr 2022 allein für Bildaufnahmen verwandte, wie diesen Sommer bekannt wurde, dürfte jedenfalls nicht alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat freuen.

So sahen bekannte Politiker früher aus
Vermeintlich preisgünstiger, bewusst ungeschliffener erscheint Söder auf der Plattform Tiktok. Oft selbst gefilmt aus eher unvorteilhafter Pose von schräg unten, mit mittelmäßiger Tonqualität, spricht Söder zu den jungen Leuten – wie er glaubt, sie selbst es tun. „Hi, guten Morgen, bin grad auf dem Weg nach München“, sagt ein unrasierter Selfie-Söder in die Kamera aus dem Auto heraus. Später gebe es ein „Insta Live“ mit Fabian Köster, kündigt er an, der „heute-Show“-Autor stalke ihn schon lange und nun ja, jetzt habe er eben zugesagt, zusammen mit dem jungen Komiker vor die Kamera zu gehen. Dass er nebenbei vom Tiktok-Account der CSU auf seinen Instagram-Kanal verweist, zeigt, wie durchdacht die Social-Media-Strategie ist – und wie eng die Person mit der Partei verwoben.
@csuauftiktok #söderisst Leberkässemmel heute mit @Fabian Köster #leberkässemmel #bayern #instalive #csu #markussöder #fabianköster
♬ Originalton - CSU
Markus Söder ist die CSU und die CSU ist Markus Söder, alles andere wäre auch unklug. Der 56-Jährige ist beliebt und eben bewanderter als Vize-Landeschef und Herausforderer Hubert Aiwanger, der mit schlecht belichteten Fotos und verpixelten Grafiken einen Instagram-Account für 33.000 Follower befüllt. Söder hat mehr als zehnmal so viele. Selbst im Vergleich zur Grünen Spitzenkandidatin Katharina Schulze (36.000 Follower).
Damit fischt die CSU natürlich im Gewässer der Klimaschutzpartei, die Themen der Generation Z von je her eigentlich innehat. Die CSU aber, politisch konservativ und wenig progressiv-nachhaltig, scheint eines verstanden zu haben: Es geht im Social-Media-Bereich nicht nur um die Prozentzahlen zur Landtagswahl. Die Tiktok-Nutzer von heute sind schließlich das Wahlvolk von morgen. Dass man 16-Jährige vielleicht nicht mit harten Themen, aber mit coolen Videos wenigstens auf eine Partei aufmerksam machen kann, das hat Söder wohl verinnerlicht.


Der CSU-Chef geht trotzdem weiter auf Ortstermine und echten Stimmenfang, erreicht traditionellere Zielgruppen weiter durch Interviews wie jüngst mit der „Bunten“, in der er über seine Morgenrituale und seine Cowboystiefelsammlung plaudert. Und falls er doch einmal den Bogen überspannt, ein falsches Wort sagt, an der falschen Stelle lacht, ist die Onlinereichweite möglicherweise seine Rettung. Nie war es so einfach, so viele Menschen gleichzeitig zu erreichen – auch um Fake News oder Gerüchte aus dem Weg zu räumen. Oder im Zweifel selbstironisch drüber zu scherzen, um damit viral zu gehen.