US-Konzern baut neue Chipfabrik im Saarland Ein echter Coup für Deutschland und Europa
Meinung | Berlin · Im strukturschwachen Saarland soll eine neue Chipfabrik entstehen. Kanzler und Vize-Kanzler sind nach Ensdorf bei Saarlouis gereist, um dabei zu sein, wenn der Coup angekündigt wird – ein Zeichen, dass der Industriestandort Europa noch nicht verloren ist.
Es wirkt wie eine prompte, triumphierende Antwort der Politik auf das Drängen der Wirtschaftsverbände, den Industriestandort Deutschland zu retten: Kanzler und Vize-Kanzler wollten am Mittwochnachmittag nach Ensdorf im Saarland reisen, wo der US-Konzern Wolfspeed eine milliardenschwere Chipfabrik errichten will. Scholz und Habeck wollten unbedingt dabei sein, wenn Konzernchef Lowe den Bau der neuen Halbleiterproduktion mit 1000 Arbeitsplätzen auf dem Gelände einer ehemaligen Kohlegrube ankündigt.
Für die Bundesregierung und die EU ist diese Investition zweifelsohne ein großer Erfolg, ein Coup: In Zeiten, in denen Europa im Wettlauf um Zukunftstechnologien mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten droht, überzeugt der Standort im Herzen Europas ein auf seinem Gebiet führendes US-Unternehmen. In Ensdorf, dem Geburtsort des früheren CDU-Wirtschaftsministers Altmaier, der offenbar den Weg geebnet hat, soll in vier Jahren eine Fabrik für Chips aus Siliziumcarbid entstehen, die sogar größer wird als ihr US-Pendant.
Vor allem für die deutsche Autoindustrie ist es eine gute Nachricht. Durch das Werk in unmittelbarer Nähe können die Hersteller darauf hoffen, bei der E-Auto-Produktion zuverlässig beliefert zu werden. Siliziumkarbid ist weltweit begehrt, weil es der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen könnte. Und der Autozulieferer ZF Friedrichshafen als Minderheitseigner kann zu neuen, klimaneutraleren Ufern aufbrechen.
Die Investition im strukturschwachen Saarland reiht sich ein auf der länger werdenden Liste von Großprojekten der Chipindustrie in Deutschland. Der US-Konzern Intel will 17 Milliarden Euro für zwei neue Fabriken in Magdeburg ausgeben. Infineon steckt fünf Milliarden in ein zusätzliches Werk in Dresden.
Ohne massive staatliche Subventionen wären diese Ansiedlungen allerdings kaum möglich. Noch sollen Förderzusagen von Bund, Ländern und der EU für Wolfspeed, Intel und Co. offiziell nicht ausgesprochen worden sein. Doch die Investitionsentscheidungen wären nicht gefallen, wenn der deutsche Staat und die EU sie nicht großzügig unterstützten. Bei Halbleiterfabriken liegt die Förderung in der Regel bei mindestens 40 Prozent der Investitionssumme – Wolfspeed hat ein 2,75-Milliarden-Investment im Auge.
Auch der Saarland-Coup kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Standortprobleme Deutschlands nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs zugenommen haben und nur mit hohen Subventionen zugedeckt werden können. Die Energiekosten hierzulande sind fünf Mal höher als in den USA, weshalb viele europäische Unternehmen mit Investitionen in den USA liebäugeln. Hinzu kommen der Fachkräftemangel und eine alternde Bevölkerung.
Die europäische Antwort auf das 390 Milliarden US-Dollar schwere Subventionspaket der USA, dem „Inflation Reduction Act“ (IRA), ist am Mittwoch ebenfalls gefallen: Mit einem „Green Deal Industrial Plan“ will die EU verhindern, dass die heimische Industrie abwandert. Der 1. Februar war insgesamt ein guter Tag für Deutschland und Europa – ungeachtet aller Standortprobleme.