Proteste in Iran, China, Türkei Die Hoffnung auf ein kleines bisschen Besserung

Meinung · Können Demonstrationen in Unterdrücker-Staaten erfolgreich sein? Vor allem in totalitären Regimes wie China ist das ziemlich schwierig, jedoch nicht ganz unmöglich. Es müssen allerdings bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Fotos: Demonstrationen in China gegen Null-Covid-Politik
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Tausende demonstrieren gegen Corona-Politik in China

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Foto: dpa/Ng Han Guan

Eine Zeitlang schien es, als könnten sich Diktatoren und autoritäre Herrscher alles erlauben: Unmenschliche Kleider- und Verhaltensvorschriften im Iran, totalen Corona-Lockdown in China, Demonstrationsverbote in der Türkei. Doch die Menschen lassen sich nicht alles gefallen. Wenn die Herrschenden überziehen, überwinden viele ihre Angst und gehen auf die Straße. Sie treibt die Gewissheit an: „Wir haben nichts mehr zu verlieren.“

Für autoritäre oder auch totalitäre Systeme wie in China wird es dann doch eng. Meistens lassen sie die Proteste ein bisschen gewähren, hoffen, dass sie abflauen. Im geeigneten Moment gehen die Sicherheitskräfte brutal und ohne Erbarmen gegen die Protestierenden vor. Oft beginnt die Repression von Neuem, vielleicht mit kleinen Änderungen im Detail und ein paar Privilegien für diejenigen, die als erste klein beigeben.

Grundsätzlich ist es schwierig, eine Revolution anzuzetteln. Auch bei unhaltbaren Zuständen. Denn jeder und jede muss für sich entscheiden, ob er oder sie mitmacht. Der direkte Nutzen für den einzelnen ist denkbar gering, die Kosten durch Verhaftung, vielleicht sogar Folterung und Tod, unendlich hoch. Die vielen Toten im Iran zeigen es nur zu deutlich. Es grenzt schon an ein kleines Wunder, dass überhaupt Proteste in solchen Ländern stattfinden. Es ist das Gemeinschaftserlebnis, die plötzliche Aufmerksamkeit, manchmal auch das Gefühl, etwas verändern zu können, was diese mutigen Menschen antreibt.

Was aber macht sie am Ende erfolgreich? Die Demonstrationen im Jahr 1989 führten zur Auflösung der Gewaltherrschaft in den sozialistischen Staaten des Ostens und zum Ende des Eisernen Vorhangs. Die Maidan-Revolution im Jahr 2014 brachte die Ukraine auf den Weg der Demokratisierung. Die Unterdrückung des Aufstands wie etwa beim Arabischen Frühling ist nicht die notwendige Folge, wie die Geschichte etlicher Revolutionen zeigt. Eine Umwälzung ist dann erfolgreich, wenn sie ein klares Ziel verfolgt, geeignete Führungspersonen ausweist und über einen gesetzlichen Unterbau verfügt. Das war im Ostblock und beim Maidan der Fall, im Arabischen Frühling nicht, weil dort westliche Demokratie gegen islamischen Gottesstaat stand.

Demonstranten in Hongkong halten leere weiße Papiere vor ihre Gesichter während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer nach einem Wohnungsbrand in der nordwestchinesischen Stadt Ürümqi. Die Menschen protestieren gegen die rigorose Null-Covid-Politik.

Demonstranten in Hongkong halten leere weiße Papiere vor ihre Gesichter während einer Gedenkveranstaltung für die Opfer nach einem Wohnungsbrand in der nordwestchinesischen Stadt Ürümqi. Die Menschen protestieren gegen die rigorose Null-Covid-Politik.

Foto: dpa/Zen Soo

Sodann müssen die Protestierenden eine kritische Masse erreichen, dass es sich für etliche Gefolgsleute der Unterdrücker nicht mehr lohnt, auf der Seite der Macht zu stehen. Wenn die bis dahin willfährigen Helfer nämlich rechtzeitig wechseln, sind sie am Ende bei den Siegern. Die Befehlsketten der Herrschenden wie bei der Leipziger Demonstration oder den Streiks in Polen funktionieren in einem solchen Fall nicht mehr. Im Iran könnte mittelfristig eine solche Konstellation erreichbar sein, in der Türkei womöglich auch. In China ist das trotz der mutigen Proteste wohl eher nicht der Fall. Und in Russland ist in dieser Hinsicht bislang noch nichts zu sehen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wenn die Türkei oder der Iran zum Präzedenzfall werden, eröffnet das auch für andere Proteste neue Perspektiven.

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