Kommentar zu Prämien für Lehrer Sollten Lehrer nach Leistung bezahlt werden?

Meinung | Düsseldorf · Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger möchte besonders engagierte Lehrkräfte mit Leistungsprämien belohnen. Das soll die Qualität der Lehre verbessern. Warum das eine schlechte Idee ist.

 Eine junge Lehrerin schreibt an eine Schultafel im Mathematikunterricht einer 8. Klasse an einer Integrierten Gesamtschule.

Eine junge Lehrerin schreibt an eine Schultafel im Mathematikunterricht einer 8. Klasse an einer Integrierten Gesamtschule.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

In Deutschland muss es sich mehr lohnen, sich für die Bildung von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Das findet Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und hat darum Leistungsprämien für besonders engagierte Lehrkräfte ins Spiel gebracht. Das klingt nach einer schlüssigen Idee. Jeder hat während seiner Schulzeit die Erfahrung gemacht, dass es sowohl beim Engagement wie Niveau von Lehrern starke Unterschiede gibt. Warum sollte das nicht auch Folgen für die Bezahlung haben? Wie in vielen anderen Berufen auch?

Wenn man davon ausgeht, dass Geld ein guter Anreiz ist, um Menschen zu motivieren und die Leistungsträger zu belohnen, liegt der Schluss also nahe, dass Prämien auch in der Bildung eingesetzt werden sollten. Dass sie ein wenig frischen, marktwirtschaftlichen Wind in das biedere deutsche Schulsystem bringen könnte. Zumal der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, die Vorschläge der Ministerin unterstützt. Man könne durchaus erkennen, welche Lehrkraft gut sei, findet er und fordert in einem Atemzug, die bereits vorhandenen Prämientöpfe für Lehrkräfte aufzustocken.

Doch Prämien würden nur dann positive Impulse setzen, wenn die Bezahlung das Problem wäre. Ist sie aber nicht. Deutsche Lehrer beziehen im Vergleich mit anderen europäischen Ländern Spitzengehälter, wie eine OECD-Studie ergab. In manchen Bereichen zahlt nur Luxemburg seinen Lehrern noch mehr. Trotzdem herrscht in Deutschland Lehrermangel – mit den bekannten Folgen: große Klassen, Unterrichtsausfall, Überlastung, genervte Stimmung bei Schülern, Eltern, Lehrkräften. Wenn Menschen aber in einem Umfeld arbeiten, in dem sich ihnen der Eindruck aufdrängt, sie seien Teil der Mangelverwaltung, ist das Gehalt zweitrangig. Sie werden auch bei bester Bezahlung das Gefühl haben, in einem Beruf gelandet zu sein, den anscheinend immer weniger Studienabgänger attraktiv finden. Motivierend ist das nicht.

Statt mit Prämien zu winken, sollte sich die deutsche Bildungspolitik also die gelebte Realität in deutschen Schulen ansehen. Dabei könnte sie auf allerhand Ideen kommen, wie Schulalltag kinder- und lehrerfreundlicher zu gestalten wäre. Etwa wenn Lehrer mehr Raum bekämen, Schüler individuell zu fördern. Wenn sie mehr im Team arbeiten könnten statt als Einzelkämpfer an die Klassenfront geschickt zu werden. Und wenn sie noch intensiver während des Studiums auf die Praxis als Pädagogen vorbereitet würden. Doch das wären tiefergehende Veränderungen. Sie würden auch andere Personalschlüssel erfordern. Es braucht also mehr Lehrkräfte, nicht mehr Geld. Und damit schließt sich der negative Zirkel, denn gerade wegen der unattraktiven Bedingungen wollen ja zu wenige Lehrer und Lehrerin werden. Da nützt auch die goldene Möhre an der Angel nichts.

Zumal auch die Frage bliebe, welche Lehrkräfte denn Prämien bekommen sollten. Und wer darüber nach welchen Kriterien zu entscheiden hätte. Denn ganz so einfach, wie Verbandsfunktionäre es darstellen, ist das leider nicht. Was sollte Richtschnur sein? Die Zahl zusätzlicher AGs, die Lehrer übernehmen? Das wäre ungerecht jenen Kollegen gegenüber, die in den Kernfächern ständig vor Bergen von Korrekturheften sitzen und darum kaum Zeit haben für Umweltgruppe und Rhönrad-AG. Bei der Gewichtung des Arbeitsaufwands in unterschiedlichen Fächern gibt es ohnehin eine Schieflage im deutschen System, die mit zur mangelnden Attraktivität des Berufs beiträgt. Zumindest, wenn man Fächer wie Deutsch, Englisch oder Mathe studiert hat.

Schülerbefragungen wären auch kein taugliches Ermessensmittel, weil Beliebtheit nicht unbedingt mit Qualität in der Lehre korrespondiert. Mancher Schüler wird später im Leben feststellen, dass der knurrige Geschichtslehrer, der ständig unangekündigte Tests schreiben ließ, ihm doch mehr fürs Leben mitgegeben hat als der immer fröhliche Biolehrer, der die tollen Tierfilme gezeigt und zum Waffelbacken nach Hause eingeladen hat. Die Fächer sind übrigens austauschbar.

Ohnehin gibt es schon deutliche Gehaltsunterschiede in deutschen Lehrerzimmern – das hat allerdings vielfach weniger mit Leistung als etwa mit Berufsjahren zu tun. Es gibt auch die Unterschiede zwischen verbeamteten Lehrern und den angestellten ohne Beamtenstatus und dann noch denen mit Zeitverträgen. Kämen nun noch individuelle Prämien hinzu, würde das die Einzelkämpfermentalität womöglich nur noch verstärken und könnte Anlass für Neid und Missgunst sein. Denn nur, wenn Prämien nach glasklaren, gerechten Kriterien vergeben werden, motivieren sie alle. Und das ist im Schulkontext schwierig.

Also Schulterzucken, alles weiter wie bisher? Die aktuelle Lage im Fachkräftemangel-Deutschland erübrigt die Antwort. Was gute Lehre ist und wie Schulen sie ermöglichen sollten, ist keine fixe Größe, sondern unterliegt wie die Zeit ständigem Wandel. Darum muss Bildungspolitik auf den Rat von Bildungsforschern hören. Und die setzen eher nicht bei der Bezahlung an. Auch erfolgreiche Konzepte aus Nachbarländern lassen sich für Deutschland weiterentwickeln.

Prämien für Lehrer ins Spiel zu bringen, unterstreicht dagegen den Eindruck, viele Lehrkräfte seien verschnarcht und bräuchten mal Anreize wie in der Wirtschaft, um sich anzustrengen. Dabei müssten die, die schon jetzt über die Maßen viel leisten, bessere Bedingungen bekommen. Und die anderen nicht mehr so einfach davonkommen, wenn sie die Klassentür hinter sich schließen.

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