Al Pacino (83) und Freundin (29) werden Eltern Vaterfreuden jenseits der 70 – ein hartnäckiger Mythos

Meinung · Ob Al Pacino mit 83 Jahren oder Peter Maffay mit 69 Jahren: Wenn Männer in hohem Alter Kinder zeugen, wird das gerne idealisiert. Dabei tickt auch ihre biologische Uhr. Und das kann Folgen haben fürs Kind.

 Hollywood-Schauspieler und und bald wieder Vater: Al Pacino (83).

Hollywood-Schauspieler und und bald wieder Vater: Al Pacino (83).

Foto: AP/Willy Sanjuan

Mit 96 schwang sich Bergsteigerlegende Luis Trenker noch einmal zum Gipfelstürmer auf: Er wurde zum fünften Mal Vater. Oder anders gesagt: Seine Assistentin und Lebensgefährtin bekam ein Kind, und der knorrige Geschichtenerzähler dementierte in dem Jahr, das er dann noch zu leben hatte, nie, der Vater zu sein. Der Inder Ramjit Raghav, ein ehemaliger Wrestler und strenger Vegetarier, gab nicht nur an, dreimal am Tag Geschlechtsverkehr zu haben, sondern auch 2010, im Alter von 94 Jahren, sein erstes Kind mit seiner damals 49-jährigen Frau bekommen und im Alter von 96 Jahren einen zweiten Nachkommen gezeugt zu haben. Der Hinweis auf ein noch biblischeres Alter für die erfolgreiche Weitergabe von Genen findet sich tatsächlich nur in der Bibel selbst: Urvater Methusalem soll mit 187 der Existenz seines Sohnes Lamech auf die Sprünge geholfen haben.

Dagegen nehmen sich Robert de Niro (79) oder Al Pacino (83) aus wie junge Hüpfer. Der eine ist zum siebten Mal Vater geworden, der andere erwartet sein viertes Kind, und kann es selbst kaum glauben. De Niros Partnerin Tiffany Chen ist 45, Pacinos Freundin Noor Alfallah könnte mit 29 seine Enkelin sein. Pacino war zuletzt in „House of Gucci“ (2021) zu sehen, de Niro spielt in einem aktuellen Kinofilm mit. Der Titel lautet sinnigerweise: „Und dann kam Dad“.

Die meisten Altersgenossen der beiden fänden das alles wohl zu anstrengend. Im schlimmsten Fall schieben sie einen Rollator vor sich her, im besten einen Kinderwagen – als Großvater wohlgemerkt. Nicht wenige unter ihnen würden wohl dem ersten Teil des Spruchs „Vater werden ist nicht schwer – Vater sein dagegen sehr“ nicht mehr ohne Weiteres zustimmen. Und vielleicht hegt eine gewisse Anzahl dieser Herren gesetzten Alters sogar eine heimliche Bewunderung ob der Virilität jener Geschlechtsgenossen, die mit späten Vaterfreuden von sich reden machen, während reifere Damen das Ganze wohl eher mit Kopfschütteln verfolgen.

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Offiziell halten es laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nur zehn Prozent der Deutschen für in Ordnung, wenn Männer über 55 noch Kinder in die Welt setzen. Schauspieler Heinz Hoenig, der mit 71 noch einmal Vater wurde, berichtet von regelrechten Anfeindungen, hinter denen er vor allem Neid vermutet.  Vater mit 50 sei das gerade noch zumutbar, so der Tenor der Befragten. Tatsächlich machen Männer aber erst ab Mitte 30 mit der Familienplanung ernst. Von den 25- bis 34-Jährigen sind noch 60 Prozent kinderlos. Mittlerweile hat jedes vierte Neugeborene einen Vater über 40.

Dennoch nimmt die Zahl der „Geronto-Väter“ (griechisch geron = Greis) gefühlt stetig zu. Dazu zählen etwa Schauspieler Richard Gere (mit 69), Sänger Peter Maffay (69), Rock-Legende Mick Jagger (73) oder Rennsport-Funktionär Bernie Ecclestone (89). Der Maler Pablo Picasso wurde mit 68 Jahren Vater, Charlie Chaplin bekam mit 73 Jahren Nachwuchs, sein Schauspieler-Kollege Anthony Quinn mit 81. Der Vater des spanischen Sängers Julio Iglesias wäre 2005 im Alter von 90 Jahren zum vierten Mal selbst Vater geworden, starb aber kurz nach der Bekanntgabe der Schwangerschaft an einem Herzinfarkt.

Freilich werden die Menschen immer älter, die Familienkonstruktionen vielfältiger, und auch die Anzahl der Beziehungen innerhalb eines Lebens nimmt zu. Die eine Partnerschaft bis ans Lebensende gibt es nicht mehr so häufig wie noch vor 100 oder 50 Jahren – und zwar nicht nur in der Welt der Stars. Und dass aus neuen Beziehungen auch erneut Kinder entstehen, ist grundsätzlich ebenso wenig verwerflich wie die Tatsache, dass es bei manchen Paaren einen großen oder sehr großen Altersunterschied gibt. Wobei biologisch die Variante älterer Mann und jüngere Frau natürlich am häufigsten vorkommt. Bei Frauen, heißt es, tickt früh die Bio-Uhr.

Natürlich stellt sich auch die Frage, wie lange alte Männer Verantwortung für ihre kleinen Kinder übernehmen können. Wie viele Stationen auf dem Weg ins Erwachsenenleben werden sie mitbekommen? Gesundheitsexperten weisen allerdings darauf hin, dass Männer, die mit über 50 Vater werden, seltener rauchen und häufig mehr Sport treiben. Sie gehen doppelt so häufig zu Vorsorgeuntersuchungen wie jüngere Väter und leiden vergleichsweise wenig unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem, so betonen Familienpsychologen, sind ältere Väter entspannter. Die entscheidenden Karriereschritte sind bereits getan, und für die materielle Absicherung des Lebensstandards ist gesorgt.

Spät gebärende Frauen wie Sängerin Janet Jackson, die mit 50 erstmals Mutter wurde oder Schauspielerin Brigitte Nielsen, die zum Zeitpunkt ihrer fünften Schwangerschaft 54 Jahre alt war, haben es dagegen ungleich schwerer. Über 30 werden sie unweigerlich regelmäßig an die Risiken erinnert – im Bekanntenkreis oder bei gynäkologischen Routineuntersuchungen.

Wissenschaftlich belegt ist, dass Frauen zwischen 20 und 25 Jahren am fruchtbarsten und eine Schwangerschaft dann am risikoärmsten ist. Ab 40 Jahren können Eizellen nicht nur eklatant weniger werden, sondern auch häufiger beschädigt sein und für Fehlbildungen des Ungeborenen sorgen. Den Stempel „Risikoschwangerschaft“ erhält nach wie vor per se jede werdende Mutter ab 35. Als Gründe nennt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) höhere Risiken etwa für Schwangerschaftsdiabetes, Bluthochdruck oder eine Frühgeburt.

Dabei wird häufig übergangen, dass das Alter des Mannes für (ungeborene) Kinder ebenfalls durchaus relevant ist. Denn es gibt auch eine männliche biologische Uhr, die tickt: Schon ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel allmählich, lässt die Spermienqualität nach. Doch nicht nur die Zeugung, die bei Männern medizinisch bis ins hohe Alter möglich ist, kann je nach Lebensstil schwieriger werden. Auch für Schwangerschaftskomplikationen kann ein Mann in fortgeschrittenem Alter verantwortlich sein. Beziehungsweise sein Erbgut.

Forscher der Universität Würzburg schrieben schon 2014 über „das Problem alte Väter“. „Die Keimzellen der Väter werden mit zunehmendem Alter auch nicht besser“, sagte etwa der Humangenetiker Thomas Haaf. Dass auch ältere Männer „risikolos“ Kinder zeugen können, sei ein Mythos, der sich hartnäckig halte. Ein epidemiologischer Zusammenhang zwischen alten Vätern und einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten bei den Kindern sei seit Längerem klar.

Genauere Erkenntnisse diskutierten Fortpflanzungsmediziner auf einem Kongress 2019 in Göttingen. Groß angelegte Studien zeigten, dass die Schwangerschaften mit den ältesten Vätern den ungünstigsten Verlauf nahmen. Das Risiko für Frühgeburten, die Notwendigkeit zur intensivmedizinischen Versorgung nach der Geburt steige demnach, und sogar spätere Erkrankungen des Kindes wie Autismus und Schizophrenie würden mit dem Alter des Vaters assoziiert.

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Foto: RP
 ARCHIV - 19.05.2019, USA, Beverly Hills: Al Pacino, US-Schauspieler, kommt zu den American Icon Awards. (zu dpa: «Von «Der Pate» zu «The Irishman» - Al Pacino mit 80 nicht zu bremsen») Foto: Richard Shotwell/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Foto: dpa/Richard Shotwell
US actor Robert De Niro waves during a photocall for the film "Bread and Roses" at the 76th edition of the Cannes Film Festival in Cannes, southern France, on May 21, 2023. (Photo by Patricia DE MELO MOREIRA / AFP)

US actor Robert De Niro waves during a photocall for the film "Bread and Roses" at the 76th edition of the Cannes Film Festival in Cannes, southern France, on May 21, 2023. (Photo by Patricia DE MELO MOREIRA / AFP)

Foto: AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Wenn Männer jenseits der 60 oder 70 Jahre Väter werden, sei ihnen ihr Glück absolut gegönnt. Dass die Partnerinnen extrem viel jünger sind, kommt der Gesundheit der Kinder sogar zu Gute. Die gleiche Empfehlung wie für Frauen geben Mediziner daher auch an Unter-40-Jährige: sich über „Social Freezing“ Gedanken zu machen: Sperma so wie Eizellen also frühzeitig einfrieren zu lassen für ein mögliches späteres Vaterglück.

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