Kairo An Ägyptens Hochschulen brodelt es

Kairo · An den Unis geht der Protest gegen die Absetzung des islamistischen Präsidenten Mursi weiter.

Letzten Sommer brannten hier Zelte und Palmen, jetzt explodieren Bomben: Der Al-Nahda-Platz vor dem Hauptgebäude der Universität Kairo wurde wiederholt zum Schauplatz von Gewalt und blutigen Auseinandersetzungen. Vorläufiger Höhepunkt war Ende März die Detonation von drei Sprengsätzen innerhalb einer Stunde. Doch noch immer vergeht keine Woche ohne Tote, Verletzte und Verhaftungen.

Ob in Kairo, Alexandria, im Nildelta oder in Oberägypten: Die Studenten sind in Aufruhr. In Ain Shams, im Norden der Hauptstadt, wurde der Haupteingang der Fakultät für Computertechnologie zerstört und der Dekan angegriffen. Sprechchöre gegen die Universitätsleitung, die Sicherheitskräfte, den Innenminister und die regierenden Militärs hielten stundenlang an. An der islamischen Al-Azhar-Universität protestierten Hunderte von Studentinnen gegen Armee, Polizei und den Großmufti, der im Ruf steht, gemeinsame Sache mit den Militärs zu machen. An der Universität Kairo wurden die frisch installierte Schutzmauer mit Anti-Militär-Parolen besprüht. und ein Sitzstreik auf dem Rasen abgehalten.

Der Sturz des Islamisten-Präsidenten Mohamed Mursi Anfang Juli 2013 und die blutige Auflösung der Pro-Mursi-Lager führten im September zu ersten Studentenprotesten gegen den, wie sie es nennen, "Putsch der Militärs gegen den ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens". Die Bewegung "Students Against the Coup" (SAC) wurde geboren, Studenten gegen den Putsch. Seitdem sind mindestens zwei Dutzend Studierende landesweit getötet, viele verletzt und fast 1500 verhaftet worden.

Die Sicherheitskräfte stürmen immer öfter in das Innere der Fakultäten, da ein im Februar erlassener Gerichtsbeschluss ihnen das Eindringen auf den Campus jetzt erlaubt. Ägyptens oberster Gerichtshof hatte im Jahr 2010, noch zu Zeiten Hosni Mubaraks, beschlossen, dass die Universitäten selbst für ihre Sicherheit verantwortlich sein dürfen. Kein Polizist in Uniform betrat seitdem eine Hochschule.

"Es sind nicht nur die Anhänger von Mursi, die hier protestieren", sagt Menan Amin und geht langsam durch das verrammelte Tor der Kairo Universität. Sie studiert dort Politikwissenschaften und ist ein aktives Mitglied der zivilgesellschaftlichen Organisation "Masrena Foundation", die sich für die Rechte aller Studenten einsetzt. Seit Beginn des Semesters beobachtet sie, dass auch zunehmend liberale Kommilitonen ihre Stimme erheben. "Was immer man über die Muslimbrüder denken mag", fasst die 23-jährige Ägypterin zusammen, "Millionen von Wählerstimmen kann man doch nicht einfach ignorieren".

Die Mehrheit der Ägypter bestehe zwar darauf, dass der Sturz Mursis kein Militärputsch gewesen sei, weil 33 Millionen Menschen gegen ihn auf die Straße gegangen seien. "Wenn das Resultat einer demokratischen Entwicklung durch militärische Intervention vernichtet wird, ist es aber nichts anderes als ein Militärputsch", sagt die Politikstudentin mit fester Stimme und fügt hinzu, dass sie auf ihrem Standpunkt bleibe, auch wenn sie riskiere, dafür im Gefängnis zu landen.

Die Proteste der Studenten haben mittlerweile auch andere Aktivisten wieder motiviert, die seit dem Sturz Mursis und der danach einsetzenden Hetzjagd des Militärs auf Andersdenkende verstummt waren. Eine Initiative für die Freilassung unschuldig inhaftierter Studenten ist mit der Gründung der Zeitung Al Youm al-Sabei entstanden, die sich von den mit der Regierung gleichgeschalteten Medien abheben will. "Die Initiative will öffentlichen Druck erzeugen", sagt Chefredakteur Khaled Salah, "damit die Studenten, die keine Gewalt angewandt haben, frei gelassen werden".

(RP)
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