Amsterdam

Amsterdam · Um 10.30 Uhr öffnet sich endlich die Tür am Balkon des Königlichen Palastes. Beatrix tritt in kräftiges Violett gekleidet hinaus – zum ersten Mal seit 33 Jahren wieder als Prinzessin. Viele erwarten eine längere Ansprache, aber die 75-Jährige sagt nur einen Satz: "Ich bin glücklich und dankbar, euch euren neuen König vorstellen zu können: König Willem-Alexander." 25 000 Menschen jubeln ihrem neuen Monarchen zu, schwenken Oranje-Fahnen und singen "Lang lebe der König".

 Zwischen Mutter und Sohn gab es mehrere innige Szenen. Beatrix war nach der Abdankung den Tränen nahe.

Zwischen Mutter und Sohn gab es mehrere innige Szenen. Beatrix war nach der Abdankung den Tränen nahe.

Foto: ap, getty

Beatrix' Frisur wirkt wie immer, ein starrer Helm aus Haaren, mit Spray fixiert. Doch wer in ihr Gesicht blickt, sieht, wie weich und bewegt ihre Miene ist. Selten haben ihre Untertanen ihre Königin so gesehen: glücklich, stolz, gerührt. Auch Willem-Alexander bemerkt die Rührung. Er küsst seine Mutter auf die Wange, zieht sie dabei ein wenig an sich. Ein menschlich herzlicher Moment zwischen Mutter und Sohn – abseits aller Formalität des Protokolls. Der neue Monarch dankt der "lieben Mutter" für bewegende und inspirierende Jahre. "Wir sind dir äußerst, äußerst dankbar." Die sonst so kühle Beatrix kämpft mit ihren Gefühlen, mit feuchten Augen und dem lilafarbenen Lidschatten. Ihre Schwiegertochter Máxima erkennt das sofort und nimmt ihre linke Hand. Ganz so, als wolle sie sagen: "Alles gut, ich bin da." Dann singen die Drei mit der Menge auf dem Platz die Nationalhymne: Willem-Alexander Arm in Arm mit Beatrix, Beatrix Hand in Hand mit Máxima. Ein Gänsehaut-Moment. Es ist das einträchtige Bild einer Familie, die zusammenhält.

Nach dem "Wilhelmus" verlässt Beatrix den Balkon. Es erinnert ein wenig an eine Flucht, als wolle sie nicht vor allen ihre Tränen zeigen. Dafür betreten die Thronfolgerin Amalia (9), nun Prinzessin von Oranien, und ihre Schwestern Alexia (7) und Ariane (6) den Balkon. Die Mädchen tragen gelbe ärmellose Kleider, den Scheitel in den blonden glatten Haaren links und winken mit rechts. Die neunjährige Amalia guckt dabei so abgeklärt, als wisse sie schon sehr genau, dass sie eines Tages den Thron besteigen wird. Der Vater, nun der König, gibt ihr stolz einen Kuss. Máxima reibt Alexia und Ariane immer wieder über die nackten Oberarme. Das Wetter ist kühl, die Kinder frösteln in ihren Kleidchen – es ist die Fürsorge einer Mutter, nicht die einer Königin.

Nur mit einer Unterschrift hat Beatrix kurz zuvor im Mosessaal des Königlichen Palastes auf den Thron verzichtet (Artikel 27 der Verfassung) und sich selbst wieder zur Prinzessin gemacht. Die Abdankungsurkunde unterzeichnet auch das neue Königspaar als Zeugen. Die Mitglieder des Regierungskabinetts und die Vorsitzenden beider Kammern des Parlaments unterschreiben ebenfalls das historische Dokument. Wenn das sogenannte Großsiegel angebracht ist, wird die Urkunde in der Nieuwe Kerk ausgestellt.

Die Menge draußen verfolgt den historischen Moment auf Großleinwänden. Als die Glocken läuten, die Menge jubelt und "Bea bedankt! Bea, Bea, Bea bedankt!" ruft, schauen sich Mutter und Sohn kurz an – beide haben Tränen in den Augen. Willem-Alexander wirkt dabei melancholisch statt gelöst. Gerade so, als wenn er wüsste, dass seine Amtsführung auch über die Zukunft der niederländischen Monarchie entscheidet.

Nach der Abdankung zieht sich die Familie kurz in den Palast zurück. Alle müssen sich umziehen, vielleicht auch ein wenig sammeln. Außerdem sei Zeit für ein leichtes Mittagessen, teilt der Hof mit: "Butterbrot und ein Süppchen."

(RP)
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