Am Internet-Pranger

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling hat Wind gesät und einen Sturm von Kritik geerntet. Er verteidigt seinen drastischen Anstoß zum Diskurs über Rechtsmissbrauch im Netz.

Düsseldorf Ansgar Heveling weiß seit einer Woche, was es heißt, am Pranger zu stehen. Die Internet-Avantgarde macht sich über Heveling lustig, nennt ihn einen Troll, stellt ihn gar in die Tölpelecke zusammen mit hinterwäldlerischen Zukunftsverweigerern. Manche, so scheint es, möchten den CDU-Bundestagsabgeordneten aus Korschenbroich am liebsten nach mittelalterlicher Art teeren und federn, auf dass er im Spott des World Wide Web versinke.

Die CSU-Geschwisterpartei- "Freundin" Dorothee Bär zückte den rhetorischen Säbel, nannte Hevelings Attacke gegen die Netzgemeinde "spätpubertär", legte ihm mit der spitzen Frage, ob er nicht seinen Beruf verfehlt habe, sogar den Rücktritt nahe.

Heveling, Apothekersohn, Jurist, von Habitus und Lebenseinstellung ein Mann aus dem bürgerlichen Milieu, räumt im Gespräch ein, dass seit Wochenbeginn gegen ihn "die Post abgeht". Er sagt: "Hätte ich eine Liebeserklärung an das Internet formuliert, hätte das niemanden interessiert." Aha, denkt man, da wollte ein bundesweit noch unbekannter Abgeordneter mit Macht in die Schlagzeilen, und sei es in negative.

Heveling, ein Experte im Urheberrecht, räumt ein, in seinem teilweise schwülstig-kriegerisch durchtränkten "Handelsblatt"-Beitrag sein Augenmerk nicht auf die großen Chancen des Internets gerichtet zu haben. Vielmehr habe er durchaus zugespitzt den Fokus auf die Gefahren des Netzes für Persönlichkeits- und Freiheitsrechte gerichtet. Heveling meint, man müsse diese Diskussion schnellstmöglich in den öffentlichen und politischen Raum tragen.

CSU-Partei-"Freundin" Bär hat sich auf Hevelings Anrufbeantworter inzwischen für ihre indirekte Forderung nach Rücktritt entschuldigt und "Waffenstillstand" angeboten. Heveling, der wahrnimmt, dass sich der Mobbing-Sturm gegen ihn mittlerweile etwas gelegt hat, möchte alles vermeiden, was die zornigen Kämpfer für die ganz große Freiheit im Netz von Neuem in Wallung bringt. Sie haben die Wonnen der Empörung über Heveling genossen. Nun möge – so will es der nicht schuldlos unter Feuer genommene Abgeordnete – eine intensive sachliche Diskussion über die rechte Balance zwischen Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Persönlichkeits- und Eigentumsschutz beginnen.

Heveling kritisiert einen nach seiner Meinung nicht ausreichend geführten Diskurs darüber, wie der Verfassungs- und Rechtsordnung auch im Internet umfassend Geltung verschafft werden kann: "Das gilt auch für den Lehrer oder die junge Frau, die Opfer anonymen Cybermobbings werden, ebenso für den Künstler, den Fotografen, den Wissenschaftler, deren geistiges Eigentum zum ,Allgemeingut' erklärt wird."

Die Internet-Avantgarde vertritt aus Hevelings Sicht zunehmend einen ausufernden Freiheitsbegriff, dem Persönlichkeitsrechte untergeordnet werden. Es gebe sogar Gruppen in der Internet-Avantgarde, die bestritten, dass geistiges Eigentum überhaupt einen Wert besitze. Im Internet hätten sich manche Gewichte verschoben. Heveling erinnert daran, dass etwa nach der Festnahme des Chefs des US-Online-Speicherdienstes Megaupload umgehend ein Hacker-Angriff auf die Homepage des amerikanischen Justizministeriums erfolgt sei: "Hier wird's ganz plastisch, wie die Hemmschwelle bei Teilen der Internet-Gemeinde gesunken ist."

Der niederrheinische Christdemokrat, der seit 2009 Bundestagsabgeordneter ist, zeigte sich davon überzeugt, dass 95 Prozent der Internet-Inhalte rechtlich in Ordnung sind und niemanden beeinträchtigen. Darüber hinaus könne man aber nicht hinwegsehen über massive Rechtsverletzungen sowie schwerste Straftaten zum Beispiel aus dem Deliktsfeld der Kinderpornografie, wo die Strafverfolgungsbehörden auf Schwierigkeiten stießen. Heveling: "Selbst angesichts schwerster Fälle von Kriminalität im Netz bleiben die Proteste von Teilen der Netzgemeinde gegen jegliche Regulierung bestehen." Grundsätzlich erstaune es ihn, dass Menschen, die die Beachtung von Grundrechten im Netz forderten, von einigen als Internet- und Freiheitsfeinde verdächtigt und verspottet würden.

Auf die Frage, ob und wie er in den Tagen nach seinen umstrittenen Provokationen im "Handelsblatt" Zuspruch erfahren habe, antwortet der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Krefeld I/Neuss II verhalten: Ja, Zuspruch habe es durchaus gegeben, und zwar von Jüngeren wie von Älteren. Jedoch, die Angriffe gegen ihn seien schon intensiv gewesen: "Zugegeben, in dieser überwiegend drastischen Form hat mich das doch überrascht."

Ansgar Heveling ist davon überzeugt, dass viele Menschen, ob im Wahlkreis am Niederrhein, in der Berliner CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder der dortigen Arbeitsgruppe Recht, mit ihm und weiten Teilen der Netzgemeinde darin übereinstimmen, dass über Rechtsmissbrauch im weltweiten Netz und über Möglichkeiten, diesen gesetzgeberisch einzudämmen, die öffentliche Diskussion erst am Anfang stehe, aber dringend und auch leidenschaftlich geführt werden müsse.

(RP)
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