Washington Als Richard Nixon der Schweiß ausbrach

Washington · In den USA beginnen die TV-Wahlduelle. In der Vergangenheit hatten sie eher Verlierer als Sieger.

Was für ein Hype! Am Montag treffen Hillary Clinton und Donald Trump in Hempstead in der Nähe New Yorks bei der ersten von drei Fernsehdiskussionen aufeinander, und an Superlativen mangelt es nicht. "Das wird größer als die Mondlandung, größer als die Olympischen Spiele, größer als die letzte königliche Hochzeit", orakelt Paul Begala, ein ehemaliger Berater des Präsidenten Bill Clinton. Eine typische Stimme im Chor.

Nüchtern betrachtet, werden amerikanische Präsidentschaftsdebatten öfter verloren, als dass sie gewonnen werden. Meist enden sie damit, dass einer der beiden Kontrahenten einen schlechteren Eindruck hinterlässt als der andere, dass er oder sie über einen Fauxpas stolpert oder auch nur etwas tut, was man in gleißendem Scheinwerferlicht besser nicht tun sollte. Ein Blick in die Geschichte lehrt, was alles schiefgehen kann. Angefangen bei der Premiere, mit der sich etwas verbindet, was als Nixon-Syndrom in die Chronik einging.

Auf den Tag genau 56 Jahre vor dem Duell Clintons gegen Trump stellten sich Richard Nixon und John F. Kennedy in ein karges Studio in Chicago, vor eine grau gestrichene Wand, ohne dass - wie heute üblich - Hunderte Zuschauer vor ihnen saßen. Das Medium Fernsehen war noch jung, und Nixon, der damalige Vizepräsident, sollte sträflich unterschätzen, dass auf einer Fernsehbühne andere Gesetze gelten als bei einer Radioübertragung. Wegen eines geschwollenen Knies hatte er zwei Wochen in einem Krankenhaus gelegen, weshalb er nach der Entlassung von Termin zu Termin hetzte, um verlorene Zeit aufzuholen. Was wiederum dazu führte, dass er ziemlich erschöpft zur Debatte erschien. Er trug einen hellgrauen Anzug, der sich kaum abhob vom grauen Studiohintergrund. Obendrein hatte er sich ein Puder namens "Lazy Shave" ins Gesicht schmieren lassen, um Bartstoppeln und Blässe zu überdecken. Als er in der Hitze der Scheinwerfer zu schwitzen begann, wirkte es, als wäre er einbalsamiert.

Nixon, schrieb danach der Journalist David Halberstam, habe den Eindruck eines Mannes gemacht, der an einem Begräbnis teilnehmen müsse, "womöglich an seinem eigenen". Kennedy dagegen, ausgeruht und ausdauernd lächelnd, ließ an einen Athleten denken, "der gekommen war, um sich einen Lorbeerkranz abzuholen". Obwohl der junge Demokrat in Wahrheit an einem chronischen Rückenleiden laborierte und von beiden das größere gesundheitliche Handicap hatte. Leute, die den Wortstreit am Radio verfolgten, sahen mehrheitlich Nixon als Sieger. Für die Mehrheit der Fernsehzuschauer dagegen war Kennedy der eindeutige Gewinner.

Jedenfalls hat die Premiere des Jahres 1960 eine Tradition begründet, die in den Vereinigten Staaten als unverzichtbarer Härtetest gilt. Die Historikerin Doris Kearns Goodwin vergleicht es mit der Nervenprobe eines Meisterschaftsfinales: Auf beiden Kandidaten laste ein enormer Druck, "und worauf es ankommt, ist nicht so sehr, was sie sagen, sondern wie sie es sagen, wie sie mit dem Druck fertigwerden".

1976 leistete sich Gerald Ford im Duell mit seinem Herausforderer Jimmy Carter einen groben Schnitzer, als er behauptete, Osteuropa werde nicht von der Sowjetunion dominiert. 1980 dann war es Carter, der den Kürzeren zog. Vom Faktenwissen her seinem Kontrahenten Ronald Reagan klar überlegen, ließ ihn der Vorteil eben auch besserwisserisch wirken. Reagan wiederum, im Spektrum der politisch damals noch sehr gemäßigten Republikaner weit rechts angesiedelt, musste zeigen, dass er kein Hasardeur war und ihm die Wähler ruhigen Gewissens den Koffer mit dem Atombombencode anvertrauen konnten. Es gelang ihm, wobei er von seiner in langen Berufsjahren erworbenen Bühnensicherheit eines Filmschauspielers profitierte. "Er hat seine Sätze auswendig gelernt, er drückt auf einen Knopf, und dann kommen sie aus seinem Mund", vertraute ein frustrierter Jimmy Carter hinterher seinem Tagebuch an.

George Bush der Ältere wurde im Redewettstreit mit seinen Herausforderern Bill Clinton und dem Milliardär Ross Perot 1992 von der Kamera dabei ertappt, wie er einen verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr warf, ein paar Minuten vor Schluss das Ende herbeisehnend. Er verlor die Wahl gegen Bill Clinton. Wie viel die Szene dazu beigetragen haben mag, darüber streiten die Götter. Clintons Mitstreiter Al Gore verwies George W. Bush im Herbst 2000 zwar klar in die Schranken, inhaltlich beschlagener und reaktionsschneller. Allerdings beging er den Fehler, genervt zu seufzen, sobald der Gouverneur aus Texas etwas sagte, was er, Gore, für unsinnig hielt. Bush sammelte mit einer Mischung aus Leutseligkeit und Hemdsärmeligkeit Sympathiepunkte beim Publikum.

Schließlich die Überraschung des Oktobers 2012, als sich der brillante Rhetoriker Barack Obama von seinen Beratern einreden ließ, er müsse präsidial über den Dingen stehen, statt sich auf einen verbalen Clinch mit seinem Gegenspieler Mitt Romney einzulassen. Prompt gewann der Konservative die erste von drei Debatten, bevor Obama glänzend reüssierte. "Was hier präsentiert wurde", klagte der Präsident später im kleinen Kreis, "war nicht die Kunst des Regierens, sondern einzig und allein die Kunst des Verkaufens."

(RP)
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