Persönlich Alexis Tsipras ... schart die Massen hinter sich

Mancher deutsche Politiker wird mit einem gewissen Neid auf Alexis Tsipras schauen. Denn auch wenn man den Standpunkt des griechischen Ministerpräsidenten nicht teilt, selbst wenn man seine Forderungen für falsch oder sogar maßlos hält - dieser Mann kann Massen mobilisieren und Menschen hinter sich scharen wie kaum ein anderer Politiker. Eine große Mehrheit der Griechen ist seinem Aufruf gefolgt, beim Referendum mit Nein zu stimmen.

Erstaunlich ist das vor allem, weil die Griechen bislang nicht viel Grund haben, Tsipras zu vertrauen: Seit seinem Amtsantritt Anfang des Jahres hat sich im Land nicht viel zum Guten gewendet. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Steuereinnahmen sind niedrig, das Verhältnis zu fast allen europäischen Staatschefs ist zerrüttet, und seit dem vergangenen Wochenende sind nicht mehr nur die Geldautomaten leer, sondern auch die Supermärkte.

Dass der Chef des Linksbündnisses Syriza angesichts dieser verheerenden Bilanz eine beeindruckende Mehrheit für seinen Kurs gewinnen konnte, grenzt an ein Wunder. Der 40-Jährige hat es geschafft, jeden seiner bisherigen Verhandlungspartner entweder auf den Baum oder in den Wahnsinn zu treiben, dabei aber irgendwie sympathisch zu wirken.

Begonnen hat er damit schon früh: Er war Schüleraktivist in der Kommunistischen Jugendorganisation und organisierte Schulbesetzungen und Streiks gegen die Bildungsreform der Regierung Anfang der 90er Jahre. Bereits damals galt er als glänzender Redner.

Vermutlich wäre es aber falsch, Alexis Tsipras deshalb abzustempeln als jemanden, der immer nur gegen alles Mögliche ist. Studiert hat er nämlich Bauingenieurwesen und war danach Stadt- und Raumplaner. Vielleicht ist Alexis Tsipras am Ende doch ein Politiker, der aufbauen will und nicht nur einreißen. Sein Volk weiß er jedenfalls hinter sich - spätestens seit gestern.

(RP)
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