Potsdam AfD im Praxistest - das große Schweigen in Potsdam

Potsdam · Seit vier Monaten sitzt die Alternative für Deutschland im Brandenburger Landtag. Durch Mitarbeit fallen die meisten Abgeordneten nicht auf.

Birgit Bessin wirkt überrascht. Gerade ist die Parlamentarische Geschäftsführerin der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag gefragt worden, welche Themen in der laufenden Woche von besonderer Bedeutung für ihre Fraktion seien. Bessin beginnt so: "Da muss ich erst mal überlegen." Und sagt dann: "In der Bildung geht es um die Rahmenlehrpläne, und dann haben wir da TTIP." Es ist die wöchentliche Pressekonferenz. Am Ende weist Bessin darauf hin, dass der Neujahrsempfang vorbereitet wurde, zu dem Journalisten eingeladen seien.

Vier Monate ist es her, dass die AfD spektakulär in den Brandenburger Landtag gewählt wurde. Im Licht der Öffentlichkeit steht allerdings fast ausschließlich ihr Landes- und Fraktionschef Alexander Gauland. Der stellvertretende AfD-Bundessprecher reiste zu "Pegida" nach Dresden und warb für eine Akzeptanz der Demonstranten. Gauland tingelt durch Talkshows und sorgt immer wieder für Eklats. Zum Beispiel, als er nach dem Attentat auf "Charlie Hebdo" erklärte: "All diejenigen, die bisher die Sorgen vieler Menschen vor einer drohenden Gefahr durch den Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft." Keines seiner Worte will er zurücknehmen.

Eine Situation, in die die meisten anderen AfD-Abgeordneten kaum kommen können: Im Parlament fallen sie nur durch Schweigen auf. In Ausschusssitzungen arbeiten sie am Laptop oder gehen ihre Unterlagen durch. "Bilanz der AfD nach drei Sitzungen und 25 Tagesordnungspunkten: eine Wortmeldung", twitterte kürzlich der Grüne Michael Jungclaus. Und postete ein Foto eines Ausschusses, in dem die AfD-Politiker schlicht fehlten.

So, wie es auch schon im Präsidium des Landtags der Fall war, wo immerhin die Tagesordnungen des Parlaments festgelegt werden. "Wir müssen noch lernen, wie die Abläufe sind", sagt denn auch Landtags-Newcomerin Bessin.

Wenn sich die AfD zu Wort meldet, geht es oft um Flüchtlinge. Solche Fragen verweisen auf den Hintergrund vieler Abgeordneter. Steffen Königer etwa arbeitete einst für die Wochenzeitung "Junge Freiheit". Manche seiner Kollegen waren bei den Republikanern, andere in der rechtsradikalen Splitterpartei "Die Freiheit". Ein Beispiel aus der vergangenen Woche: In der Fragestunde des Landtags wollte zunächst Königer wissen, wie viele Asylbewerber aus Serbien derzeit in Brandenburg leben. "Damit Plätze nicht unberechtigt belegt werden und auch dem Gesetz Genüge getan wird, muss dafür Sorge getragen werden, dass Flüchtlinge ohne Anspruch auf Asyl nach Serbien zurückgeschickt werden."

Und der Abgeordnete Franz Wiese fragte: "Welche Mitglieder der Landesregierung haben die Weihnachtsfeiertage gemeinsam mit Flüchtlingen bei sich zu Hause verbracht oder Flüchtlinge für längere Zeit bei sich aufgenommen?" Was Staatskanzleichef Rudolf Zeeb (SPD) erwartungsgemäß nicht beantwortete: Auch Minister hätten ein Recht auf Privatleben.

(RP)
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