Rechtspopulisten vor Landtagswahlen Die Forderungen der AfD im Faktencheck

Berlin/Düsseldorf · Die "Alternative für Deutschland" schlägt Kapital aus den Vorfällen der Kölner Silvesternacht. Aber sind ihre politischen Forderungen überhaupt mit geltendem Recht vereinbar? Ein Überblick.

 AfD-Kundgebung mit Sprecher Björn Höcke in Jena: Symbolischer Kurswechsel

AfD-Kundgebung mit Sprecher Björn Höcke in Jena: Symbolischer Kurswechsel

Foto: dpa, skh

Am 13. März wird in gleich drei Ländern gewählt. Bisher konnte die Alternative für Deutschland in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt vor allem mit ihren rechtspopulistischen Forderungen zur Asyl- und Einwanderungspolitik punkten. Hier der Faktencheck, ob die Positionen mit der Verfassung und internationalen Abkommen vereinbar sind.

Die AfD in Baden-Württemberg will das Grundgesetz verändern: Das individuelle Grundrecht auf Asyl soll in eine institutionelle Garantie des Asylrechts umgewandelt werden.
"Solch eine Änderung des Grundgesetzes mit einer Zweidrittel-Mehrheit wäre verfassungsrechtlich möglich", sagt Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Würzburg. Laut Bundesverfassungsgericht gehört das Grundrecht auf Asyl nicht zum zwingenden Kern der Verfassung. Allerdings würde dies nach Einschätzung von Uwe Berlit, Honorarprofessor an der Universität Leipzig, wegen der rechtlich bindenden Vorgaben des Völkerrechts kaum etwas ändern: "Das nationale Asylrecht aus Artikel 16a Grundgesetz ist schon seit Längerem rechtlich nahezu bedeutungslos geworden und hinter dem internationalen Schutz zurückgetreten."
Fazit Symbolisch. Das Grundgesetz zu verändern klingt zwar nach Kurswechsel, aber Deutschland hat sich völkerrechtlichen Vereinbarungen unterworfen - und das zählt.

Flüchtlinge sollen nur noch im Ausland Asyl beantragen, in eigens eingerichteten Auffangzentren, und nicht in Deutschland - das fordert die AfD in ihrem Bundesprogramm.
Der Vorschlag lasse sich nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbaren, erklärt Rechtsexperte Schwarz. Demnach darf ein Flüchtling nicht zurückgewiesen werden, ohne dass sein Flüchtlingsstatus vorher geklärt worden ist. Das Recht, im Bundesgebiet die Vorgaben aus der Genfer Flüchtlingskonvention in Anspruch zu nehmen, könne nicht einseitig durch den nationalen Gesetzgeber aufgehoben werden, sagt Berlit.
Fazit Internationales Recht steht an dieser Stelle über nationalen Gesetzen. Flüchtlinge dürften weiterhin in Deutschland Asyl beantragen.

Die AfD in NRW fordert, dass grundsätzlich Sachleistungen an Asylbewerber Vorrang vor Barleistungen haben sollen. Mobiltelefone sollen sie nicht bekommen.
Das NRW-Innenministerium sagt dazu, dies würde zu viel Aufwand für die Kommunen und die Hilfsorganisationen bedeuten. Die Flüchtlinge sollen selbst entscheiden können, was sie von dem Geld kaufen: Kino-, Bus- oder Telefonkarten. Mobiltelefone würden ihnen ohnehin nicht zur Verfügung gestellt.
Fazit Der Vorschlag würde die Situation nicht verbessern und mehr Arbeit verursachen.

Leistungen wie Kindergeld will die AfD aus Sachsen-Anhalt nur dann EU-Bürgern zahlen, wenn sie in Deutschland mindestens fünf Jahre angestellt oder aber selbstständig gearbeitet haben.
"Die Forderung ist mit EU-Recht eindeutig unvereinbar", sagt Berlit. Denn EU-Bürger dürfen nicht pauschal gegenüber den Einheimischen schlechtergestellt werden. Zwar könnten sowohl beim Kindergeld als auch beim Arbeitslosengeld II (Hartz IV) spezielle Voraussetzungen bestimmt werden, wann EU-Bürgern solche Leistungen vorenthalten werden können, aber an der grundsätzlichen Gleichbehandlung ändere das nichts, sagt der Jurist.
Fazit Hier ignoriert die AfD einen Grundsatz im Europa-Recht.

Die AfD in Sachsen-Anhalt behauptet: "Selbst die Grundversorgung und damit die Pflichtaufgaben der Kommunen können nur noch teilweise sichergestellt werden, weil die finanziellen Mittel aufgrund der massenhaften Aufnahme von Asylbewerbern fehlen."
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, weist das entschieden zurück. "Nach wie vor erfüllen die Städte und Gemeinden in allen Bundesländern ihre gesetzlichen Pflichten", betont er. Zwar sei die Finanzlage der Kommunen in vielen Regionen angespannt. Das sei aber schon lange so und habe "nichts mit den Flüchtlingen zu tun", sagte Landsberg. Vielmehr liege der Grund in den Kosten für immer mehr allgemeine soziale Leistungen, die vom Bund beschlossen und den Kommunen bezahlt würden.
Fazit Die AfD beschuldigt Flüchtlinge zu Unrecht, für die Finanznöte der Kommunen maßgeblich verantwortlich zu sein.

Die AfD Rheinland-Pfalz kritisiert im Wahlprogramm die "ideologisch motivierte Inklusion". Studien zeigten "keine generellen positiven Wirkungen der Inklusion".
Laut Institut für Sonderpädagogik Hannover zeigen Studien, dass bei individualistischem Unterricht und einer "guten Mischung" von leistungsstarken und leistungsschwachen Kindern alle von der Inklusion profitierten. Deutschland hat sich in der UN-Behindertenrechte-Konvention verpflichtet, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu integrativem Unterricht haben.
Fazit Die AfD versucht, Behinderte und Nicht-Behinderte gegeneinander auszuspielen. Studien widerlegen den Ideologie-Vorwurf.

(jd/joh/may-)
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