Ärzte-Team: Nur der Fahrer überlebte

Sie kamen nach Afghanistan, um der Zivilbevölkerung zu helfen, und fanden den Tod: Die elfköpfige Gruppe des Hilfswerks International Assistance Mission (IAM) kampierte in einer gefährlichen Region Afghanistans, obwohl Sicherheitskräfte davor gewarnt haben wollen.

Der Mord an christlichen Helfern in Afghanistan hat in Deutschland Bestürzung ausgelöst. Politiker aller Parteien äußerten sich am Wochenende empört und erschüttert. Bei dem Überfall auf das internationale Mediziner-Team im unruhigen Nordosten Afghanistans kamen nach ersten Angaben zehn Menschen ums Leben, darunter auch eine 35-jährige Ärztin aus Sachsen. "Die Bundesregierung dringt auf gründliche Aufklärung der Umstände dieses feigen Mordes und gemeinsam mit den afghanischen Behörden auf eine Bestrafung der Urheber dieser Tat", erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Der Vorfall unterstreiche die Notwendigkeit, weiter zielstrebig auf eine Stabilisierung der Lage in Afghanistan hinzuwirken, in der die afghanische Regierung zunehmend die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernehmen könne, erklärte die Bundesregierung in Berlin weiter. Afghanistan erlebt derzeit die schwerste Gewaltwelle seit dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 durch die von den USA angeführten westlichen Soldaten.

Zu der Ermordung der Helfer bekannten sich die radikal-islamischen Taliban, die den Getöteten die Christianisierung der Bevölkerung vorwarfen. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed sagte nach Angaben des britischen Senders Sky News, bei den Ärzten seien ins Persische übersetzte Bibeln gefunden worden: "Es waren christliche Missionare, und wir töteten sie alle." Der Arbeitgeber der Ärzte, das christliche Hilfswerk International Assistance Mission mit Sitz in Genf, wies den Vorwurf als völlig unbegründet zurück. Die Organisation ist seit 40 Jahren in Afghanistan tätig .

Die Leichen der acht Ärzte und zwei ihrer drei afghanischen Begleiter wurden gestern zunächst zur Identifizierung nach Kabul geflogen. Nach Angaben der US-Botschaft waren daran neben amerikanischen Experten auch Vertreter der deutschen und der britischen Botschaft beteiligt.

Die Opfer waren mit einer mobilen Augenklinik durch die Provinz Nuristan gereist. Der Exekutivdirektor der International Assistance Mission, Dirk Frans, sagte, den letzten Kontakt zu der Gruppe habe es am Mittwoch gegeben. Den Angaben nach bestand das elfköpfige Team aus sechs US-Bürgern, einer Britin, der Deutschen und drei Afghanen, von denen einer flüchten konnte. Der afghanischen Polizei zufolge wurden die von Kugeln durchsiebten Leichen am Samstagmorgen gefunden. Nach Angaben des Polizeichefs der an Nuristan grenzenden Provinz Badakschan, Aka Nur Kemtus, hätte die Gruppe nahe der Wälder in der Region kampiert, als sie angegriffen worden seien. Die Ärzte seien davor gewarnt worden, sich den Wäldern zu nähern. "Aber sie sagten, sie seien Ärzte, und niemand werde ihnen etwas tun", sagte Kemtus. Die Bewaffneten hätten die Autos geplündert und dann alle Mitglieder der Gruppe bis auf den Fahrer erschossen. "Er sagte mir, er habe geschrien und den heiligen Koran rezitiert und gesagt: ,Ich bin Muslim. Tötet mich nicht'", so Kemtus.

Der International Assistance Mission zufolge befand sich die Gruppe auf der Rückreise von einer dreiwöchigen Tour in die Hauptstadt Kabul. Das Team habe auf Einladung von Gemeinden in der Provinz Nuristan gearbeitet, in der die Taliban besonders stark sind. Einige von ihnen seien seit Jahrzehnten in Afghanistan tätig gewesen. Zwei Wochen war das internationale Ärzteteam zu Fuß unterwegs gewesen, um Bewohnern im abgelegenen Parun-Tal im Nordosten Afghanistans zu helfen. Mit Lasttieren hatten sie sich eine Route durch das bergige Gelände gesucht, bevor sie Mitte dieser Woche zu ihren allradbetriebenen Fahrzeugen zurückkehrten, um die Heimfahrt nach Kabul anzutreten.

Die Gruppe hatte für die Reise zurück nach Kabul einen Weg durch die als relativ sicher geltende Provinz Badachschan gewählt, um eine gefährliche Straße in Nuristan zu meiden. Der Überfall ereignete sich offenbar kurz hinter der Grenze zu Badachschan, das zum Einsatzgebiet der Bundeswehr gehört. Für die Sicherheit auf den Straßen zwischen den Provinzen sind nach Angaben der Nato allerdings vorrangig die afghanischen Sicherheitskräfte zuständig.

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