Kairo Ägyptische Männer prahlen mit der "Gebetsrosine"

Kairo · Ahmed Mustafa hat einen dunkelbraunen Fleck von der Größe einer Zehn-Cent-Münze mitten auf der Stirn. Die Haut an dieser Stelle ist rau und uneben. Trotzdem käme der ägyptische Buchhalter nie auf die Idee, zum Hautarzt zu gehen. Im Gegenteil: Der 31-Jährige ist stolz auf den Fleck, der angeblich durch häufiges Beten entstanden ist. Denn Frömmigkeit steht in Ägypten hoch im Kurs, auch nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi.

Wenn ein Muslim alle fünf täglichen Gebete verrichtet, dann berührt er dabei genau 34 Mal mit der Stirn den Boden. Doch der Kairoer Dermatologe Chalid al Hoschi geht davon aus, dass das Gebetsmal nicht alleine durch "normales Beten" entstehen kann. "Ich selbst bete fünfmal täglich, und ich habe diesen Fleck nicht."

Genaue Zahlen darüber, wie viele Muslime in Ägypten das dunkle Gebetsmal haben, das wegen seiner etwas schrumpeligen Form im Volksmund auch liebevoll "Rosine" genannt wird, gibt es nicht. Doch schaut man sich auf der Straße um, so stellt man fest, dass inzwischen mehr als jeder vierte muslimische Ägypter eine mehr oder weniger auffällige "Rosine" trägt. Das Gebetsmal des neuen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi ist flach und dezent. Im Extremfall kann es die Größe einer getrockneten Aprikose annehmen.

Während der Volksglaube besagt, dass Gott die Seinen am Tag des Jüngsten Gerichts an ihrem Gebetsmal erkennen werde, vertreten die Religionsgelehrten unterschiedliche Ansichten. Die Befürworter weisen auf eine Koransure hin, in der es heißt, "sie tragen Zeichen auf dem Gesicht vom Niederwerfen beim Gebet". Allerdings sind viele Muslime der Meinung, dass damit eher eine Art spirituelles Leuchten gemeint ist. In einem Internet-Forum für Muslime heißt es dazu: "Wenn jemand absichtlich versucht, einen Fleck auf seiner Stirn zu bekommen, dann ist dies eine Art von Angeberei und Lüge", was am Jüngsten Tag bestraft werde.

(dpa)
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