Bundesinnenminister Schily weist Länder an Abschiebestopp für irakische Flüchtlinge

Berlin (rpo). Einen Abschiebestopp für irakische Flüchtlinge hat Bundesinnenminister Otto Schily verfügt. Die Länder seinen bereits darum gebeten worden, sagte Sprecher Rainer Lingenthal am Freitag in Berlin.

Zudem wies der SPD-Politiker das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, die Asylverfahren für Iraker auszusetzen. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Roth, nannte das Vorgehen Schilys ein "ganz wichtiges Signal".

Nach Schätzungen der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration halten sich derzeit rund 75.000 irakische Flüchtlinge in der Bundesrepublik auf. Zwischen 60 und 70 Prozent sind Kurden. Seit 1995 stiegen die Flüchtlingszahlen mehr und mehr an, und seit dem Jahr 2000 stellen die Iraker unter den Asylbewerbern in Deutschland die größte Gruppe.

Roth betonte in der "Berliner Zeitung", auch Nordirak könne nicht mehr als innerirakische Fluchtalternative gelten. Die Grünen-Vorsitzende Angelika Beer betonte im ZDF-Morgenmagazin: "Wer heute noch Menschen in ein Kriegsgebiet abschiebt, hat die Humanität und unseren Auftrag im Rahmen der Völkergemeinschaft nicht verstanden." Es sei zu befürchten, "dass mit zunehmendem militärischen Einsatz vielleicht nicht Saddam getroffen wird, aber die hilflose Bevölkerung".

Beer rief die Europäische Union auf, zu klären, welche der Mitgliedstaaten die Menschen aufnehmen könnten, wenn es zu größeren Flüchtlingsströmen käme. "Humanität heißt, für potenzielle Kriegsopfer die Grenzen zu öffnen. Das ist ein Grundsatz unserer Politik, und der sollte auch in diesem Fall gelten", sagte die Parteichefin.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, sagte im Südwestrundfunk, ein Abschiebestopp sei aus vielerlei humanitären Erwägungen selbstverständlich. Skeptischer äußerte er sich zu Überlegungen, irakische Kriegsflüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Statt den flüchtenden Menschen lange Transporte zuzumuten, sollten sie besser regional untergebracht werden. Den betroffenen Ländern müsse dann natürlich geholfen werden.

Die Innenministerien von Bayern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen wiesen darauf hin, dass es schon seit Jahren keine Abschiebungen mehr nach Irak gebe. Die Forderungen nach einem Abschiebestopp seien daher Unfug, sagte der bayerische Innenminister Günther Beckstein.

"Pro Asyl" hatte vor Kriegsbeginn den Umgang mit irakischen Asylbewerbern in Deutschland als unverantwortlich kritisiert. Die Flüchtlingshilfsorganisation warf der Bundesregierung eine gezielte Strategie mit dem Ziel vor, Deutschland als Zufluchtsland für Flüchtlinge aus der Kriegsregion so unattraktiv wie möglich zu machen.

UNHCR intensiviert Vorbereitungen

Unterdessen intensivierte das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) seine Vorbereitungen für eine mögliche Massenflucht aus Irak. In Jordanien, Iran, der Türkei und den anderen Nachbarländern Iraks wurden die wichtigsten Hilfsgüter wie Decken, Zelte und Kerosinkocher für über 300.000 Flüchtlinge bereit gehalten. In seinen Planungen geht UNHCR von bis zu 600.000 Flüchtlingen aus. Für den Kauf und die Bereitstellung von Hilfsgütern benötigt UNHCR 60 Millionen US-Dollar, von denen die Organisation nach eigenen Angaben bisher 21 Millionen erhalten hat.

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