Kairo Personenkult um Ägyptens neuen Pharao

Kairo · Abdel Fattah al Sisi wird wohl als Präsident kandidieren. Die Verehrung des Feldmarschalls ist eines Staatsoberhaupts jetzt schon würdig.

Abdel Fattah al Sisi: Personenkult um Ägyptens neuen Pharao
Foto: dpa, Michael Kappeler

Ihre Idee hat sie berühmt gemacht. Bahira Galal sitzt an der Kasse ihrer Konditorei in der ägyptischen Hauptstadt Kairo und lächelt stolz. "Ich war die erste, die darauf kam", sagt sie. Gleich nachdem Ägyptens islamistischer Präsident Mohammed Mursi vergangenen Sommer gestürzt worden war, als alle anfingen, für den neuen starken Mann Abdel Fattah al Sisi zu schwärmen, bekamen Galals Pralinen ein Foto des Generals verpasst.

Inzwischen ist die Sisi-Schokolade in der ganzen Welt bekannt. Der zum Feldmarschall aufgestiegene Sisi ist zum beliebtesten Mitbringsel geworden. Galals "Kakao-Lounge" wird bald noch mehr Kunden bekommen, wenn Sisi wie allgemein erwartet seine Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt gibt.

Seit Wochen gibt es am Nil nur noch ein Thema: Sisi soll Präsident werden. Eine Initiative hat angeblich schon über 20 Millionen Unterschriften von Ägyptern gesammelt, die den Mann mit der feschen Generalsmütze und den vier Sternen an der Schulter als Präsidentschaftskandidaten sehen wollen. Die gleichgeschalteten ägyptischen Medien sind voll von Huldigungen und Aufforderungen an ihn, für das höchste Staatsamt zu kandidieren. Auch dass der Militärrat dafür bereits grünes Licht gab und Übergangspräsident Adli Mansur ihn zum höchsten Offizier kürte, weist auf eine Kandidatur hin.

Er werde den Willen des Volkes respektieren und "ihm nicht den Rücken kehren", ließ Sisi kurz nach dem überwältigenden Ja-Votum über die neue Verfassung Mitte Januar verlauten. Die 98 Prozent Zustimmung seien auch ein Votum für den General, schrieben die Kommentatoren ägyptischer Zeitungen am Tag danach. Eine Woche später jubelten am dritten Jahrestag der Revolution Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz Sisi zu.

Doch Sisi lässt sich Zeit — wohl wissend, dass seine Kandidatur nicht unproblematisch ist. "Ein neuer Präsident muss die Straßenkämpfe beenden", sagt eine Straßenverkäuferin im Kairoer Bezirk Giza und spricht damit vielen aus der Seele: "Er muss unseren Alltag verbessern." Und viele trauen dies derzeit nur einem zu — Feldmarschall Sisi, der sie nach ihrer Meinung von Mursi und den Muslimbrüdern befreit hat, unter deren Herrschaft Gewalt und Kriminalität nie gekannte Ausmaße annahmen. Der damalige Verteidigungsminister Sisi hatte im Sommer Mursi kurzerhand abgesetzt, die Verfassung suspendiert und einen politischen Fahrplan für den weiteren Weg Ägyptens verkündet. Demnach sollte zunächst eine neue Verfassung erarbeitet und zur Abstimmung vorgelegt werden. Danach sollten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Sisi wurde Armee-Chef, Verteidigungsminister und Vize-Ministerpräsident im Übergangskabinett.

Sein Image als Chef einer Militärjunta, gar als neuer Pharao versuchte der 59-Jährige jedoch bald loszuwerden. Seltener trat er mit Sonnenbrille auf, auch die Generalsmütze sah man weniger. Trotzdem lieben ihn seine Landsleute in Uniform. In Übergröße hängen Poster des Feldmarschalls an Hochhäusern, Brücken und Hauswänden der Hauptstadt. Es ist ein regelrechter Kult um seine Person entstanden. Nicht nur Bahira Galals Pralinen tragen jetzt sein Gesicht, auch Kekse, Öle, Seifen und Feuerzeuge. "Wir Ägypter neigen zur Übertreibung", analysiert Politik-Professor Ali Dorgham im staatlichen Fernsehen Nile-TV.

Sollte Sisi Staatsoberhaupt werden, muss er die Uniform ablegen — die neue Verfassung schreibt vor, dass nur ein Zivilist Präsident werden kann. Sisi aber war stets in den Militärapparat eingebettet, der sich zu einem Staat im Staate entwickelt hat. "Die Armee sollte sich aus den Alltagsgeschäften der Politik heraushalten", hat der neue starke Mann gesagt, kurz nachdem er Mursi gestürzt hatte. Schon einige Wochen später korrigierte er sich: "Ich glaube nach wie vor an dieses Prinzip, doch habe ich zugleich eine Verantwortung. Ich werde es nicht dulden, dass Ägypten in einem dunklen Tunnel verschwindet."

Nun beschäftigt sich der Karrieresoldat also verstärkt mit Politik. Sein Privatleben, das er bisher erfolgreich abschirmte, wird durchleuchtet werden. Von seiner Frau weiß man nur, dass sie den Hidschab trägt, den alle Haare verdeckenden Schleier. Sisi soll drei Söhne und eine Tochter haben. Das ist alles, was er preisgegeben hat. Mit der Kandidatur wird manches Geheimnis über sein Leben gelüftet werden.

Das wiederum könnte den neuen Pharao schneller entzaubern, als sich viele Ägypter träumen lassen.

(RP)
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