Düsseldorf 99 Prozent für Kandidatin Kraft

Düsseldorf · Der Applaus will nicht enden, doch Hannelore Kraft fährt heiter dazwischen. "Leute, macht nicht so lange. Es ist Turbo-Wahlkampf. Wir müssen uns beeilen", ruft sie den 450 Menschen im Saal zu. Der Düsseldorfer Sonderparteitag hat sie soeben zur Nummer eins der Landesliste vorgeschlagen. In knapp einer Stunde wird Kraft mit einem "sozialistischen Ergebnis" von über 99 Prozent gewählt.

"Nordrhein-Westfalen geht es besser als vor zwei Jahren", stellt die Ministerpräsidentin in ihrer Parteitagsrede selbstbewusst fest. Die zurückliegenden 20 Monate rot-grüner Minderheitsregierung seien "gut für die politische Kultur" im Land gewesen. Zur Überraschung mancher Delegierter dankt sie der Opposition im Landtag. Gemeinsam seien wichtige Fortschritte erzielt worden. Namen nennt Kraft nicht, doch Unterstützung hat Rot-Grün von allen Fraktionen bekommen: von der Linken beim Haushalt 2011, von der CDU beim Schulkompromiss und von der FDP bei den Kommunalfinanzen.

Jetzt aber werde für klare Verhältnisse in NRW gekämpft, betont Kraft, die das Bündnis mit den Grünen fortsetzen will. Die SPD werde im Wahlkampf verstärkt auf den "Mundfunk 2.0" setzen, also auf das Internet, kündigt sie an. Dann ein Seitenhieb auf ihren Herausforderer Norbert Röttgen (CDU), der im Verdacht steht, bei einer Niederlage am 13. Mai einen Bogen um den Landtag machen zu wollen. Kraft hält dagegen: "Bei uns gibt es keine Rückfahrkarte. Mein Platz ist hier in Nordrhein-Westfalen."

Natürlich spart die Regierungschefin die vorsorgende Sozialpolitik nicht aus. Allein NRW gebe 23 Milliarden Euro für soziale "Reparaturkosten" aus. Da sei es doch viel sinnvoller, in vorbeugende Hilfen zu investieren. In der nächsten Legislaturperiode werde es eine Ausbildungsgarantie geben, kündigt sie an. Kraft fordert "gute Arbeit" und faire Löhne. Auf das Wohlwollen der Gewerkschaften wird sie sich im Wahlkampf verlassen können. Mit ihrer Schlussbemerkung – "Ich kämpfe zu 100 Prozent, mit vollem Einsatz und mit NRW im Herzen" – reißt sie die Delegierten von den Stühlen hoch.

SPD-Chef Sigmar Gabriel dankt ihr überschwänglich. Er hat Kraft zuvor in seiner Rede eine Leistungsbilanz bescheinigt, "die sich sehen lassen kann". Gabriel, umringt von Reportern, beantwortet noch ein paar Fragen, bevor er die Stadthalle verlässt. Peer Steinbrück, der frühere NRW-Regierungschef und Bundesfinanzminister, wandelt derweil durchs Foyer und ist trotz kokettierender Abwehr ("Was sollen denn all die Fotos?") anscheinend doch ganz angetan davon, dass ihn Delegierte immer wieder um ein Gruppenbild bitten. Mehr Ruhe hat Ex-Parteichef Franz Müntefering. Der entspannt wirkende 72-Jährige sitzt ganz hinten im Saal und liest Zeitung, während seine um 40 Jahre jüngere Frau Michelle auf dem Podium sitzt und als Schriftführerin Parteidienst leistet.

(RP)
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