Neue Studie über das Alleinsein Einsamkeit unter jungen Menschen wächst - und damit die Distanz zur Demokratie

Berlin · Die zunehmende Einsamkeit und die wachsende Skepsis gegenüber der Demokratie sind nicht zufällig parallel verlaufende Entwicklungen. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Vor allem junge Menschen laufen demnach Gefahr, Verschwörungstheorien anzuhängen.

 Einsam sind eher Jugendliche, die finanziellen Druck verspüren, die nicht mehr zu Hause wohnen   oder die eine Migrationsgeschichte haben

Einsam sind eher Jugendliche, die finanziellen Druck verspüren, die nicht mehr zu Hause wohnen oder die eine Migrationsgeschichte haben

Foto: dpa/Fabian Sommer

Verschwörungstheorien liegen bei einigen Menschen im Trend. Die Corona-Pandemie hat ihnen mächtig Auftrieb verliehen, doch auch der russische Angriffskrieg und Migrationsbewegungen sind Nährboden für Realitätsumdeutungen aller Art. Nicht nur, aber vor allem im Internet. Und genau dort treffen sie auf junge Menschen, die, so eine repräsentative Studie im Auftrag der linksliberalen Denkfabrik „Das Progressive Zentrum“, sich zunehmend einsam fühlen.

Die Gruppe der 16- bis 23-Jährigen ist demnach besonders anfällig für Einsamkeit. So geben 55 Prozent der Jugendlichen an, dass ihnen manchmal oder immer Gesellschaft fehlt. 26 Prozent haben nicht das Gefühl, anderen Menschen nahe zu sein. Als einen wichtigen Grund nennen die Heranwachsenden die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie. Doch es gibt noch andere Risikofaktoren: Besonders von Einsamkeit betroffen sind demnach junge Menschen, die nicht mehr im elterlichen Zuhause wohnen, ein knappes Einkommen oder einen Migrationshintergrund haben. Zudem fehlt es häufig an Strategien, der Einsamkeit zu entkommen: 75 Prozent der einsamen Jugendlichen versuchen, diese Gefühle zu ignorieren.

Das Gefühl des Alleinseins hat aber auch gravierende Folgen für den Zuspruch zur Demokratie. So geben nur 51 Prozent der einsamen 16- bis 23-Jährigen an, dass Demokratie die beste Staatsform sei, 33 Prozent sehen das anders. Etwa 20 Prozent der einsamen Jugendlichen weisen hohe Zustimmungswerte zu autoritären Einstellungen auf. Und: Ein Drittel der Einsamen gibt an, Politiker hätten es verdient, wenn die Wut gegen sie auch schon mal in Gewalt umschlägt.

„Einsamkeit macht nicht nur einsam, sondern kann auch das Vertrauen in Mitmenschen und die Demokratie gefährden. Einsamkeit ist also kein individuelles Problem, sondern geht alle an“, sagt Studienautorin Claudia Neu, Soziologin an den Universitäten in Göttingen und Kassel. Die Politik müsse nun handeln, um Jugendliche zu schützen. So brauche es bessere Freizeitangebote, soziale Orte und eine Offensive in der politischen Bildung.

Die Politik sei gefordert, öffentliche Räume zu gestalten, die Einsamkeit und Isolation vorbeugen. Wo es etwa an Grünflächen und Freizeitangeboten mangele, sei Einsamkeit weit verbreitet, so die Studienautoren. „Einsamkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen braucht dringend mehr Aufmerksamkeit in Politik und Gesellschaft“, sagt die Psychologin und Einsamkeitsforscherin Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum.

Vielen Jugendlichen fehlt zudem das Selbstvertrauen, politische Überzeugungen mit anderen Menschen zu teilen. Mehr als die Hälfte der Einsamen vermeidet es, mit Freunden oder Bekannten über Politik zu sprechen, um nicht in Streit zu geraten. Unter den Nicht-Einsamen sind es 37 Prozent. Darüber hinaus glaubt nur rund ein Viertel der Jugendlichen insgesamt, die Politik tatsächlich beeinflussen zu können. Übrigens: Die Mehrheit der Befragten positioniert sich politisch in der Mitte. Zudem würden die Grenzen zwischen links-liberal-progressiven und traditionell-konservativen Werten unter Jugendlichen verschwimmen, so die Studie.

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