Altersarmut nimmt zu 465 000 Rentner brauchen Sozialhilfe

Berlin · Die Altersarmut nimmt zu. Nordrhein-Westfalen liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Altersarmut nimmt zu: 465 000 Rentner brauchen Sozialhilfe
Foto: Armin Weigel

Die Zahl der alten und kranken Menschen in Deutschland, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind, steigt kontinuierlich. Mittlerweile liegt sie bei rund 900 000. Das sind 6,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Rund 465 000 von ihnen sind über 65 Jahre alt und beziehen damit Grundsicherung im Alter. Die übrigen sind jünger und wegen geminderter Erwerbsfähigkeit auf die Zuwendungen des Staates angewiesen.

Nordrhein-Westfalen liegt bei der Altersarmut deutlich über dem Durchschnitt. Während bundesweit von 1000 über 65-Jährigen 27 Grundsicherung beziehen, sind es in NRW 35. Traditionell ist in Westdeutschland die Zahl der Frauen in Altersarmut deutlich höher als die der Männer. So erhalten in NRW 2,8 Prozent der Senioren und vier Prozent der Seniorinnen Grundsicherung. Damit ist die Zahl der Senioren in Altersarmut immer noch deutlich niedriger als die Zahl der Kinder in Hartz-IV-Familien. Allerdings gilt bei den Senioren die versteckte Armut als ausgeprägter, weil in dieser Generation die Schamgrenze, zum Amt zu gehen, traditionell höher liegt.

Gewerkschaften und Sozialverbände reagierten alarmiert auf die Zahlen. Die Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, sprach von einem "dramatischen Anstieg". Die IG Metall warnte vor einem "sozialpolitischen Skandal".

Rentenexperten aus der Wissenschaft sehen dies anders. "Das ist ein Warnzeichen, aber noch kein Alarmsignal", sagte Bert Rürup. Altersarmut sei noch nicht zu einem gesellschaftlichen Problem geworden, sagte der frühere Chef der Wirtschaftsweisen. "Dennoch brauchen wir eine über dem Grundsicherungsanspruch liegende Sockelrente für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die viele Jahre vollzeitig gearbeitet haben, aber dennoch nur eine Rente unter dem Sozialhilfeniveau bekämen." Auch der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen sagte: "Im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen haben wir eine vergleichsweise geringe Armut unter den Alten." Für die Zukunft müsse die Politik "den Menschen einfach klar machen, dass es nicht reicht, mal 35 Jahre in die Rente geringfügig einzuzahlen und dann eine üppige Rente zu erwarten". Dafür sei die Gemeinschaft der Beitragszahler "nicht stark genug".

Die kommende große Koalition wird voraussichtlich eine neue Rente einführen, bei der die Altersbezüge von Geringverdienern aufgestockt werden. Union und SPD haben mit der Lebensleistungsrente und der Solidarrente ähnliche Konzepte dafür. Beide sehen unter bestimmten Bedingungen eine garantierte Rente von 850 Euro vor.

(mar / qua)
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