Bis zur WM 2026: DFB verlängert Vertrag mit Bundestrainer Nagelsmann
EILMELDUNG
Bis zur WM 2026: DFB verlängert Vertrag mit Bundestrainer Nagelsmann

Berlin 260 gefährliche Extremisten überfordern die Polizei

Berlin · Die Zahl der Terroristen, die "wahrscheinlich einen Anschlag planen", wächst. Sie werden unterschiedlich überwacht

Im November warnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor der "höchsten Zahl an Gefährdern, die wir je hatten" - und sprach von 230 Extremisten, die "wahrscheinlich einen Angriff planen". Sieben Wochen später geht er bereits von etwa 260 aus, die das Ministerium für gefährlich hält. Im Schnitt kommt also jeden zweiten Tag ein Gefährder dazu. Wie behält der Staat sie im Auge?

Mehr als 40 Rückkehrer mit Kampferfahrung in Syrien und dem Irak leben allein in Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommen extrem gewaltbereite Extremisten zum Beispiel aus der Salafistenszene ohne erkennbare Waffenausbildung. Wollte man bundesweit alle 260 Gefährder rund um die Uhr überwachen, wären dafür schon 6500 Polizisten nötig, denn im Schnitt rechnen die Landeskriminalämter mit 25 Beamten für die lückenlose Observierung einer einzigen verdächtigen Person. Die Annahme sei "illusorisch", dass das bei jedem einzelnen gelinge, erklärte die Polizeigewerkschaft. Aus taktischen Erwägungen wollen weder de Maizière noch die Sicherheitsbehörden Details nennen. Doch dem Vernehmen nach wird in diesen Tagen bei jedem einzelnen Gefährder neu geprüft, ob er im Lichte des Pariser Attentates mehr Verdachtsmomente liefert als in den Wochen zuvor.

Der für jeden einzelnen Gefährder aufgestellte "Beobachtungsplan" wird aktualisiert. Dabei wird entschieden, ob es reicht, sporadisch auf das Verhalten des Gefährders zu achten, um mitzubekommen, mit wem er sich trifft, welche auffälligen Produkte er sich zulegt und welche markanten Orte er möglicherweise auskundschaftet, oder ob die Observierungsteams verstärkt werden müssen. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen gebe es bislang aus personellen Gründen selten mehr als zehn Rund-um-die-Uhr-Bewachungen je Bundesland. Auch diese Einschränkungen befinden sich derzeit auf dem Prüfstand. Nach Einschalten des zuständigen Richters können auch Abhöraktionen von Telefonen und Handys und das Mitlesen von E-Mails und SMS gestartet werden.

Auf technische Grenzen weisen die CSU-Innenexperten hin. So hätten die deutschen Verfassungsschutzämter derzeit nicht die Möglichkeit, bestimmte verschlüsselte Kommunikation etwa über den Internettelefon-Anbieter Skype zu verfolgen. Nach dem Vorbild der besser ausgestatteten US-Kollegen müssten die deutschen Nachrichtendienste nachgerüstet werden.

Stark behindert sieht sich die Polizei zudem durch die fehlende Vorratsdatenspeicherung. Dabei geht es nicht darum, permanent den Datenverkehr aller Bürger zu überwachen. Nur im Fall eines verübten oder gerade noch vereitelten Anschlages mit klaren Tatverdächtigen, will die Polizei so schnell wie möglich ermitteln, welche Personen noch daran beteiligt waren und möglicherweise ähnliche oder weitere Taten planen. Die Nummern und die Zeitpunkte der Telefonate der Verdächtigen lassen sich aber derzeit zumeist nicht mehr zurückverfolgen, weil die Provider gesetzlich nicht verpflichtet sind, die Verbindungsdaten zu speichern. Gegner der Vorratsdatenspeicherung weisen darauf hin, dass das Massaker in Paris kein Argument für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung sei. Die Franzosen verfügten über dieses Instrument schon seit fast zehn Jahren, hätten aber den Anschlag nicht verhindern können. "Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen", sagte SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) wies jedoch darauf hin, dass der Rückgriff auf die Daten bei den nachfolgenden Ermittlungen hilfreich sei. Die Innenminister von Bund und Ländern hätten sich in dieser Frage klar positioniert, es fehle jedoch an einer eindeutigen europäischen Rechtsgrundlage. Das Bundesinnenministerium sieht für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gleichwohl ausreichend rechtlichen Spielraum.

(may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort