Berlin 2012 – noch turbulentere Zeiten für Merkel

Berlin · Hinter der Bundeskanzlerin liegt ein Jahr voller Krisen, Rücktritte und Positionswechsel, doch das kommende Jahr wird für sie nicht minder aufregend: Schon im Frühjahr geht es bei der Euro-Rettung um alles, ein weiteres Bundesland könnte 2012 in SPD-Hände fallen, ihre wichtigsten Partner im Ausland, Sarkozy und Obama, könnten aus dem Amt gewählt werden.

Nur gut, dass die Bundeskanzlerin die europäische Schuldenkrise spannend findet. Wäre sie mit weniger Wissbegier und Neugier ausgestattet, woraus hätte sie dann die bewundernswerte Kraft und Energie geschöpft, auf den zahllos erscheinenden EU-Gipfeln immer wieder neue Anläufe zur Rettung des Euro zu unternehmen?

Auch im kommenden Jahr wird Angela Merkel wieder viel Kraft aus der intellektuellen Faszination dieser Krise schöpfen müssen: Schon im Frühjahr wird es beim Euro ums Ganze gehen, denn die Finanzmärkte verlieren längst die Geduld mit den europäischen Regierungen und ihren Euro-Basteleien. Am 30. Januar wollen die EU-Staats- und Regierungschefs weitere Schritte beschließen. Dabei steht im Zentrum die Ausarbeitung des neuen "Euro-Plus"-Paktes, in dem sich die 17 Euro-Staaten und bis zu neun weitere EU-Länder – außer Großbritannien – zu strengerer Haushaltsdiziplin verpflichten wollen.

Da dieser Pakt die Märkte allenfalls langfristig, aber nicht kurzfristig beruhigt, soll der permanente Rettungsschirm ESM von 2013 auf Mitte 2012 vorgezogen und sofort mit mehr Barmitteln versehen werden als bisher geplant. Der Bundesfinanzminister wäre bereit, sogar den vollen deutschen Anteil von 21,5 Milliarden Euro sofort in den ESM einzuzahlen, wenn die anderen EU-Länder mitziehen würden.

Dies ist allerdings nicht zu erwarten, da alle anderen Länder 2012 größere Wachstums- und Haushaltsprobleme als Deutschland haben. Auch Frankreich schwächelt – und das ist nicht gut für Nicolas Sarkozy. Er muss sich am 22. April den Wählern stellen. Nach einer aktuellen Umfrage wollen nur 24 Prozent der Franzosen den konservativen Präsidenten wiederwählen. Merkel wird sich möglicherweise auf einen neuen Partner bei der Euro-Rettung einstellen müssen – den Sozialisten François Hollande.

Spannend wird es für Merkel auch am 5. Mai: Bei der einzigen Landtagswahl des Jahres in Schleswig-Holstein könnte SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig gewinnen. Nach Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hamburg könnte mit Peter Harry Carstensen in dieser Legislaturperiode ein weiterer CDU-Ministerpräsident aus dem Amt gewählt werden.

Fast wichtiger noch als ein Machtwechsel wird aus Merkels Sicht das Abschneiden der FDP: Verschwindet sie auch aus dem schleswig-holsteinischen Landtag, könnte sich die Existenzkrise der Liberalen verschärfen – und dann auch Merkels Koalition wanken.

Jenseits des Atlantiks werden am 6. November die Präsidentschaftswahlen entschieden, der monatelange amerikanische Wahlkampf geht zu Ende. Ob sich der Demokrat Barack Obama, der einstige Hoffnungsträger, noch einmal durchsetzen kann, ist fraglich, weil Obama im Inland wenig Rückhalt genießt. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau, die Verschuldung erreicht immer neue Rekordhöhen.

Für Merkel könnte ein Wechsel im Weißen Haus eher mehr als weniger Probleme bedeuten, etwa beim Klimaschutz, in der Sicherheitspolitik und bei der Bewältigung der globalen Schuldenkrise.

(RP)
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