Podcast Tonspur Wissen „Die deutsche Gesellschaft fremdelt noch immer mit der Bundeswehr“

Interview | Düsseldorf · Mangelnde Ausrüstung, Sondervermögen, Ukraine-Krieg – schon zu Beginn seines Amtes steht der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) stark unter Zugzwang. Eine Eingewöhnungszeit wird ihm national wie international kaum gegönnt sein. Kann er den Spagat zwischen dringenden Reformen bei gleichzeitiger Einsatzfähigkeit der Bundeswehr leisten?

Boris Pistorius ist der neue Verteidigungsminister. Nach Christine Lambrecht, Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen soll es nun wieder ein Mann versuchen. Noch nie war es so wichtig, dass Deutschland verteidigungsfähig ist. Doch noch nie gab es so große Zweifel daran. Wie ist es denn nun wirklich? Können wir uns darauf verlassen, im schlimmsten Fall sicher zu sein? Darüber spricht in der aktuellen Episode des RP-Podcasts „Tonspur Wissen“ Dr. Niklas Schörnig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung und Experte für Verteidigungsstrategien.

Herr Schörnig, wir haben einen neuen Verteidigungsminister. Boris Pistorius (SPD) war vorher Innenminister in Niedersachsen. Taugt er zu dem Amt?

Niklas Schörnig Das wird man sehen. Ich hatte ihn nicht auf den Zettel. Auch Leute aus der Truppe nicht, die ich kenne. Insoweit ist es eine Überraschung. Für jemanden wie mich, der aus der internationalen Politik kommt, ist innere und äußere Sicherheit nicht dasselbe. Durchsetzungsfähig scheint er aber zu sein. Das braucht man in dem Ressort. Ich lasse mich gerne positiv überraschen.

Dr. Niklas Schörnig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung und Experte für Verteidigungsstrategien.

Dr. Niklas Schörnig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung und Experte für Verteidigungsstrategien.

Foto: Niklas Schörnig/HSFK

Der neue Verteidigungsminister bekommt also eine Chance bei Ihnen. Aber warum ist dieses Amt so eine schwere Bürde? Die letzten Ministerinnen hatten dort ja nicht gerade eine glückliche Karriere.

Schörnig Das liegt an den verschiedenen Ansprüchen, die in diesem Amt zusammenkommen. Zum einen sind es die nationalen Ansprüche mit der Frage, wie finanziert man die Bundeswehr? Darin sind auch ganz viele Länder involviert, in denen die Stützpunkte und Standorte liegen. Gleichzeitig kommen auch internationale Ansprüche hinzu. Mit der EU, der NATO und UN müssen ganz viele Spielfelder mit Fingerspitzengefühl bespielt werden. Zudem fremdelt die deutsche Gesellschaft noch immer ein klein wenig mit der Bundeswehr. Das hat sich in den letzten Jahren sicher geändert. Aber der Gedanke, dass Deutschland sich sehr lange und in vielen Bereichen immer noch als Friedensmacht versteht, macht die Arbeit eines Verteidigungsministers nicht einfacher.

Es braucht für diesen Posten also die besten Leute, die man hat. Allerdings hat man den Eindruck, dass dieses Amt keiner will. Warum ist das so?

Schörnig Frau Lambrecht ist mit dem Satz gestartet: Wenn es eine einfache Aufgabe wäre, hätte man auch jemand anderen nehmen können. Es ist schwierig, in diesem Amt etwas zu gewinnen. Weil man als Minister auch gegen einen sehr großen, eingefahrenen Apparat kämpfen muss. Wie gesagt, die finanziellen Fragen standen seit dem Ende des Ost-West-Konflikts immer im Mittelpunkt. Egal ob bei Scharping, Rühe oder wo immer man auch sonst hingucken möchte. Die finanzielle Ausstattung war stets sehr, sehr knapp. Das macht die Aufgabe nicht einfacher. Es ist also ein Posten, bei dem man viel verlieren und wenig gewinnen kann. Sicherlich also keine Sache, wo gute Leute sich darauf verheizt sehen möchte.

Die Geschichte der Bundeswehr ist eine Geschichte von Niederlagen. Die erste große, öffentliche Niederlage war ein Spiegel-Cover aus den 60er-Jahren mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“. Danach hat Franz-Josef Strauß als Verteidigungsminister den Spiegel durchsuchen lassen und die betroffenen Redakteure verhaften lassen. Trotzdem zieht sich dieses bedingt abwehrbereit durch die weitere Historie. Warum kann man die Bundeswehr nicht reformieren?

Schörnig Über den Zustand der Bundeswehr in den 70er und 80er-Jahren kann ich gar nicht sagen, ob dieser wirklich so hochproblematisch und „nicht abwehrbereit“ gewesen ist. Für die Zeit nach dem Ost-West-Konflikt stand aber die Frage im Raum, was die Bundeswehr künftig überhaupt leisten soll. Soll sie weiterhin Landes- und Bündnisverteidigung machen? Oder soll sie „out of Area“ jenseits des NATO-Gebiets in UN-mandatierte Einsätze geschickt werden, wie Mitte der 90er diskutiert wurde? Im Kosovo wurde sie 1999 sogar ohne UN-Mandat eingesetzt, was eine große Debatte auslöste. Die Frage, was die Bundeswehr als Kernaufgabe eigentlich leisten soll, war spätestens seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes umstritten. Da haben wir auch viele Veränderungen gesehen, von Landesverteidigung hin zu mehr „out of Area“. Seit Mitte der 2010er-Jahre fokussiert man sich wieder verstärkt auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Damit als Bundeswehr materiell und organisatorisch hinterherzukommen, ist sicherlich nicht einfach.

Zusätzlich wird die Bundeswehr ja auch bei Notlagen wie der Corona-Pandemie oder während der Flut-Katastrophe eingesetzt. Ist es vernünftig, die Bundeswehr als zivile Reserve zu betrachten?

Schörnig Ich bin der Meinung, dass die Bundeswehr nicht im Inneren eingesetzt werden soll. Dafür muss es schon eine sehr außergewöhnliche Situation haben. Dazu muss es meines Erachtens einen überparteilichen Konsens geben, dass dieser Einsatz in diesem Fall wirklich hilfreich und notwendig ist. Generell würde ich aber an der Trennung weiter festhalten wollen und die Bundeswehr nicht für normale Aufgaben im Inneren einsetzen. Dafür gibt es andere Kräfte wie das THW, die Feuerwehr oder die Polizei, welche in der Regel solche Aufgaben abdecken können.

Ist die besondere Verfassung als Parlamentsarmee etwas, was der Bundeswehr in ihrer eigenen Reformfähigkeit im Wege steht?

Schörnig Das sehe ich jetzt nicht. Das Argument liegt nicht nahe, finde ich.

Man hört dieses Argument jedoch häufig aus der Truppe, wenn man fragt, warum die Ausrüstung nicht einsatzbereit oder funktionsfähig ist. Alle größeren Aufträge müssen ja erst einmal durch Verteidigungsausschuss und Parlament. Das dauert alles.

Schörnig Ja, aber das ist ja nichts Ungewöhnliches. Auch in anderen Ländern reden die Verteidigungsausschüsse ganz stark dabei mit, welche Systeme beschafft werden sollen. Sogar in den USA ist dies der Fall. Das Wesen der Parlamentsarmee ist ja eher, dass der Bundestag über Auslands- und Kampfeinsätze entscheiden muss, sodass die Regierung dies nicht alleine beschließen kann. An der Stelle sehe ich kein Problem. Was man diskutieren kann, ist die Frage, ob nicht die Kampffähigkeit und der Kampfgeist der Bundeswehr durch ihre starke Ausrichtung auf innere Führung leidet. Dahinter steht der Gedanke, dass den Soldaten viel mehr Verantwortung übergeben wird, dass sie nicht nur Befehlen folgen müssen und somit der „Kadavergehorsam“ verschwindet. Rund um den Afghanistan-Einsatz kam dazu die Diskussion auf, ob hiermit nicht die Kampffähigkeit leidet oder der Kampfgeist reduziert wird. Diese Frage zieht sich seit ihrer Gründung durch die ganze Geschichte der Bundeswehr und ist etwas, was sie von anderen Armeen unterscheidet. Aber auch im Positiven, dass in dieser Armee nämlich auch Befehle hinterfragt werden können und nicht einfach losgeschossen wird. Insoweit würde ich sagen, die Bundeswehr steht in diesem Kontext gar nicht schlecht dar und ich halte die „Innere Führung“ für ein sehr wichtiges Merkmal, das die Bundeswehr von anderen Armeen positiv absetzt.

2010 wurde die Wehrpflicht abgeschafft, was mit dem damaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg verbunden war. Er wollte damit eine große Reform in die Wege leiten, wozu es nicht mehr gekommen ist. Ursula von der Leyen hat als Verteidigungsministerin ähnliches vorgehabt und sich vor allem auf das Management und die Beschaffung konzentriert. Auch hier ist sie nicht fertig geworden. Annegret Kramp-Karrenbauer hat diese Linie fortgeführt. Wo steht denn die Bundeswehr heute?

Schörnig Der Bereich Beschaffung und Material ist seit Jahren ein großes Problem. Im Prinzip ist er verknöchert durch enorm viele Regularien und Regeln, die beachtet werden müssen. Teilweise führen diese dann dazu, dass sich Projekte ewig hinziehen und sich die Anforderungen auch für die Industrieseite teilweise widersprechen. Das Thema Beschaffung würde ich daher als ein ganz zentrales Thema ansehen, welches in der Bundeswehr seit Jahrzehnten hochproblematisch ist. Interessant ist dabei auch das Zwei-Prozent-Ziel, welches für die NATO-Staaten gilt. Zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollen die NATO-Mitglieder ja für die Verteidigung ausgeben. Das hat Deutschland in den vergangenen Jahren nicht geschafft. Dazu gibt es noch das zweite Ziel, dass 20 Prozent des Verteidigungshaushaltes in Neubeschaffung gehen sollen. Auch da gehört Deutschland zu den Staaten, die das Ziel seit Jahren nicht erreichen. Wir gehören in dieser Rangliste sogar zu den letzten fünf. Nun kann man fragen, wo das Geld denn in der Bundeswehr hingeht. Nicht ins Personal, sondern vor allen Dingen in aktuelle Einsätze und der Instandhaltung des vorhandenen Materials. Da ist man in einem Teufelskreis, indem immer weniger Material zur Verfügung steht, immer weiter herumgereicht und immer stärker benutzt wird, sodass es anschließend sehr teuer repariert werden muss. Dann fehlen die Gelder auch für die Neuanschaffung. Aus diesem Zirkel muss die Bundeswehr ausbrechen, wenn sie über zukunftsfähiges Material verfügen möchte.

Was kann dabei das Sondervermögen von 100 Milliarden bewirken? Man hört aktuell immer noch, dass man gar nicht genau wisse, wie oder für was das Geld eingesetzt werden soll.

Schörnig Seit Mitte der 2010er-Jahre ist es klar, dass der Fokus der Bundeswehr wieder auf der Landes- und Bündnisverteidigung liegen muss. Spätestens seit Russland die Krim annektiert hat, ist diese Aufgabe wieder in den Köpfen angekommen. Das bedeutet auch ganz klar, dass man wieder Großwaffen-Systeme anschaffen muss. Als Friedensforscher bin ich immer dafür, Waffen abzurüsten. Aber wenn man dieses Ziel politisch erreichen will, kommt man in der aktuellen Lage nicht darum herum, in größerer Zahl neue Großwaffensysteme anzuschaffen. Im aktuellen Spiegel gibt es dazu eine Übersicht, wie die Bundeswehr von 1989 auf 2022 ihr Material abgerüstet oder abgeschafft hat. Das sind schon drastische Zahlen, die man dort liest. Ich glaube, man muss sich nochmal über die Hauptaufgabe der Bundeswehr Gedanken machen. Dementsprechend sollte man das Geld, welches zur Verfügung steht, gemäß dieser Aufgabe ausgeben.

Kann die deutsche Rüstungsindustrie diese Bedürfnisse denn erfüllen? Auch von dort hört man ständig Probleme zu neuen Panzern, Hubschraubern oder Sturmgewehren.

Schörnig Da wird von beiden Seiten versucht, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Um das Thema Sturmgewehr gibt es ja schon einen jahrelangen Rechtsstreit, bei dem es auch um Patentverletzungen und wiederholten Ausschreibungen geht. Wenn es dazu nicht gekommen wäre, hätte man schon vor Jahren zu Entscheidungen kommen können. Der ehemalige Wehrbeauftragte Bartels hat 2019 etwas süffisant angemerkt, dass die Industrie sieben Jahre brauche, um 100 Panzer zu renovieren und zu modernisieren. Aber 50 neue könne sie in kurzer Zeit ins Ausland exportieren. Da spielt vielleicht auch die Fragen von Prioritätensetzung seitens der Industrie mit rein. Ein zusätzliches Problem ist, dass man in der Vergangenheit häufig auf sehr komplexe und teils unausgereifte Systeme gesetzt hat. Das merkt man aktuell beim Puma, der von vielen Kinderkrankheiten geplagt wird.

…. das ist der neue Schützenpanzer, der trotz Versprechens an die NATO noch immer nicht einsatzbereit ist?

Schörnig Ganz genau. Dieser Panzer ist hochtechnisiert und gehört zu den modernsten Geräten am Markt. Aber solche Systeme sind eben so komplex, dass man sie nicht mehr auf alle Eventualitäten testen kann. Wenn man dann nur den Ansatz verfolgt, hochkomplexe Systeme zu haben, die ganz viel können sollen, kann ich die Industrie auch ein wenig verstehen. Diese Systeme auf den Stand heraus einsatzbereit zu bekommen, ist schwierig. Man muss also auf beide Seiten schauen. Was die eine Seite also an teilweise widersprüchlichen, überbordeten Wünschen stellt und was die andere Seite auch wirklich umsetzen kann und diesen Wünschen auch wirklich alles unterordnet.

Also müsste der neue Verteidigungsminister einfachere Waffen bestellen, wenn er die Bundeswehr zügig kampffähig ausrüsten will?

Schörnig Wenn es ihm darum geht, schnell zu agieren, dann ja. Ich würde die Industrie auch einmal unter Druck setzen, indem man europäisch einkauft. Bisher hat sich das Beschaffungswesen nur auf die nationale Industrie konzentriert. Seit Jahren wird aber darüber gesprochen, europäisch einzukaufen. Warum also nicht einmal die Industrie unter Druck setzen, wie es bei dem Kampfjet F-35 geschehen ist? Dass man also auch sagt, wir kaufen jetzt Schützenpanzer in den USA oder Schweden, wenn ihr das nicht hinkriegt. Ich würde sagen, europäisch zu agieren, kann nie ein Fehler sein.

Das neue Flugzeug F-35 wird also in den USA bestellt, weil Europa in der geforderten Qualität und Geschwindigkeit nicht lieferfähig ist?

Schörnig Das ist ein Problem. In Europa bestellt jedes Land seine eigene Variante. Anstatt dass man sich zusammenrauft und klärt, welche Mindestanforderungen dieses System können muss und anschließend von allen bestellt wird. Das würde die Logistik auch vereinfachen. Warum man sich da nicht auf einen Nenner bringen kann, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Muss der neue Verteidigungsminister in diesen Fragen eine Führungsrolle in Europa übernehmen?

Schörnig Für Staaten wie Frankreich, Großbritannien oder Schweden ist so ein deutscher Vorstoß natürlich schwierig. Aber man tritt glaube ich auch als Deutscher niemanden auf die Füße, wenn man den europäischen Gedanken mit gemeinsamen Regularien und Anforderungen definiert.

Was muss Boris Pistorius denn im Inneren der Truppe erreichen? Wir haben eben schon darüber gesprochen, dass die Beschaffung die ganz große Baustelle des Verteidigungsministeriums ist. Was muss er da tun, um dieses schwarze Loch zu füllen? Seine Vorgängerinnen sind genau daran gescheitert.

Schörnig Als Friedensforscher kann ich das nicht im Detail beantworten. Im Verteidigungsministerium scheint es an den Umstrukturierungen von de Maizière und zu Guttenberg gelegen haben, die die Soldatinnen und Soldaten aus den Entscheidungsprozessen herausgedrängt haben und somit die interne Kommunikation erschwert haben. Beim Puma beispielsweise hat niemand mit dem Lufttransport geredet. Am Ende wurde ein Panzer beschafft, der zu schwer und zu groß für den Transport in den eigenen Flugzeugen ist. Man muss die Leute also zusammenbringen, dass sie wieder miteinander reden und klarer machen, was ihre Anforderungen sind. Also auf Konsens setzen und nicht auf ein Gegeneinander.

Wie lange dauert es denn, bis die Bundeswehr einsatzfähig ist?

Schörnig Da kann ich nur spekulieren. Laut den genannten Zahlen soll sie 2031 voll einsatzbereit sein. Das ist optimistisch formuliert, ob acht Jahre wirklich reichen. Ich traue Pistorius zu, dass er Dinge verändert und Sachen anfasst. Aber es ist immer eine schwierige Sache. Wir haben auch in den kommenden Jahren Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erfüllen. Die Bundeswehr kann also nicht sagen, wir nehmen uns jetzt eine Zeit lang raus und bauen um. Das muss parallel erfolgen und die Verpflichtungen erfüllt werden, bei gleichzeitigem Umbau. Das wird eine sehr schwierige Herausforderung. Ich beneide ihn nicht.

Was bedeutet das für die Ukraine?

Schörnig Zunächst bedeutet das weniger etwas für die Ukraine. Weil die Frage, was wir dahin liefern, ist von diesen Umbaumaßnahmen nicht betroffen. Es bedeutet eher etwas für unsere NATO-Partner. Sind wir während dieser Umstrukturierung als NATO-Partner weiter verlässlich? Beim Ausfall des Schützenpanzers Puma konnte man zum Glück auf ältere Modelle zurückgreifen und damit trotzdem die NATO-Verpflichtungen ab Januar erfüllen. Insoweit glaube ich, geht es eher um Signale an die NATO. Dass wir also weiterhin ein Mitglied mit Gewicht und Verantwortung darstellen. Im Zusammenhang mit der Ukraine sehe ich den Umbau momentan noch nicht problematisch.

Würden die Lieferungen von Waffen, welche der Ukraine bereits versprochen sind oder versprochen werden, die Bundeswehr entscheidend schwächen? Das war ja ein häufig angeführtes Argument von Frau Lambrecht.

Schörnig Als Friedensforscher bin ich bei der Frage von Rüstungsexporten immer gespalten. Aber im Fall der Ukraine ist die Sache klar. Vielleicht hat Herr Pistorius hier auch stärker das Ohr des Kanzlers. Also das er dem Kanzler vorher sagen kann, was wir versprechen können und was nicht. Bei Frau Lambrecht schien es mir in einigen Stellen so, dass der Kanzler versprochen hat und sie nicht informiert gewesen war. Das ist aber Spekulation meinerseits.

Insgesamt sagt man, dass mit dem neuen Verteidigungsminister sozusagen das Guthaben des Kanzlers aufgebracht sei, was Fehlbesetzungen in seinem Kabinett betrifft. Stimmen Sie dem zu?

Schörnig Inwieweit jetzt das Kapital aufgebraucht ist, ist eine Spekulationssache. Derzeit wird allerdings bereits spekuliert, dass Pistorius möglicherweise nur eine kurze Zeit als Verteidigungsminister agieren könnte, um dann als Innenminister Nancy Faeser zu ersetzen. Davon würde ich abraten. Mit der Person der Pistorius ist die Reform der Bundeswehr jetzt verknüpft. Einen weiteren Wechsel würde den Kanzler wohl schwer beschädigen und der Bundeswehr extrem schaden.

Interview transkribiert und zur besseren Lesbarkeit leicht angepasst, von Christopher Trinks

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