Deiche gefährlich durchweicht Wörlitzer Hauptdeich gesprengt

Hamburg/Dresden (rpo). Das Technische Hilfswerk hat am Freitag nahe Wörlitz zwischen Wittenberg und Dessau (Sachsen-Anhalt) ein etwa vier Meter breites Loch in den Hauptdeich gesprengt. Dadurch soll das Wasser schneller in die Elbwiesen zurückfließen.

Durch die Sprengung soll das Wasser schneller in die Auen ablaufen und den weltbekannten Wörlitzer Park vor einer möglichen Katastrophe bewahren.

Die Situation am gebrochenen Elbdamm bei Seegrehna (Sachsen-Anhalt) hat sich nach einem ersten Aufatmen am Freitag vermutlich wieder zugespitzt. Der Katastrophenschutzstab beim Landkreis Wittenberg teilte mit, eine Aktion der Bundeswehr zur Eindämmung der Fluten habe nicht den gewünschten Effekt gezeigt. Das Elbewasser fließe weiter ungehindert in den Landkreis Anhalt-Zerbst ab, sagte ein Sprecher des Krisenstabes.

Die Bundeswehr konnte am Freitagnachmittag noch keine Angaben zur aktuellen Situation am Damm Seegrehna machen. Sie hatte seit Donnerstag aus der Luft Sandsäcke abgeworfen. Sie waren in Form einer Banane angeordnet worden, um den Großteil der Fluten kontrolliert in Richtung Elbe zurückfließen zu lassen. Damit sollten Durchflussmenge und Fließgeschwindigkeit des Wassers in Richtung Anhalt-Zerbst verringert werden, hieß es bei der Bundeswehr. Dieser Effekt sei am Freitagmorgen auch beobachtet worden. Ein völliges Verschließen des Dammbruchs kam wegen der hohen Strömungsgeschwindigkeit nicht in Frage.

Im niedersächsischen Amt Neuhaus konnten Hunderte Helfer in einem Noteinsatz eine undichte Stelle bei Neu Garge am Freitagmorgen zunächst mit 30 000 Sandsäcken sichern. Mehrere Orte in Niedersachsen und im benachbarten Mecklenburg mit einigen hundert Menschen sind von Zwangsevakuierungen betroffen. Insgesamt sind deutschlandweit noch mindestens 30 000 Menschen fern von ihren Wohnungen und Häusern. Die Zahl der Toten hat sich bundesweit auf 18 erhöht. Rund 590 Quadratkilometer sind überflutet, die eineinhalbfache Fläche des Stadtstaats Bremen.

Hochwasser spült Handgranaten an Land

Wie ein Sprecher des Innenministeriums am Freitag in Dresden mitteilte, wurden seit der Katastrophe neun Panzerfäuste und zahlreiche Munitionsteile zum Teil in Vorgärten von Häusern gefunden. Betroffen seien Grundstücke in Nossen, Meißen und im Landkreis Sächsische Schweiz. Ein Polizeisprecher wies darauf hin, dass in der von der Katastrophe besonders schwer heimgesuchten Stadt Glashütte alleine 25 Spreng- und Panzergrananten gefunden worden seien. 15 davon habe der Kampfmittelbeseitigungstrupp am 18. August an Ort und Stelle gesprengt, weil ein Abtransport zu gefährlich gewesen sei.

Das Hochwasser auf der Elbe bereitet der Stadt Hamburg nach Angaben einer Behördensprechers keine Probleme. Eine Gefahr der Überflutung gebe es wegen der hohen Deiche nicht, sagte die Sprecherin am Freitag.

Lage in Niedersachsen noch immer kritisch

Auch im Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt sickerte an mehreren Stellen Wasser durch die Dämme. In Bitterfeld bedrohte das Hochwasser des früheren Tagebaus Goitzsche noch immer die Stadt.

Während der Pegelstand der Elbe im schleswig-holsteinischen Lauenburg seit dem frühen Donnerstagabend bei etwa 8,65 Metern stagnierte, erreichte die Elbe bei Boizenburg am Donnerstagabend mit einem Pegelstand von 6,41 Metern nach Angaben des Lagedienstes dort ihren Scheitelpunkt. Über die Evakuierung der von den Elbfluten bedrohten Stadt soll am Freitagmorgen entschieden werden.

Bei Hitzacker in Niedersachsen wurde am Freitagmorgen bei aufeinander folgenden Messungen ein Pegelstand von 7,48 Metern gemessen. Damit sei der Wasserstand in den vergangenen Stunden nahezu konstant geblieben, sagte eine Sprecherin des Kreises. An der Jeetzel bei Dannenberg sei das Wasser "sichtbar gesunken", nachdem Einsatzkräfte eine Spundwand errichtet hatten, mit der der aufgeweichte Binnendeich vor der Elbe-Flut geschützt werden sollte. Mittlerweile verstärkte die Bundeswehr ihre Hilfstruppen zur Deichsicherung im Elbe-Hochwassergebiet Schnackenburg/Hitzacker. Auch die britische Armee entsendet 300 Soldaten der 7. Armoured Brigade aus Fallingbostel zur Unterstützung.

Die Deichsicherungsarbeiten im niedersächsischen Amt Neuhaus liefen auch in der Nacht weiter. "Hier stabilisiert sich der Wasserstand auf hohem Niveau", sagte Jens Böther vom Katastrophenstab des Kreises am frühen Freitagmorgen. Größtes Problem ist nach wie vor der enorme Wasserdruck auf die Deiche. Die Gefahr einer Überschwemmung durch den Fluss Sude konnte abgewendet werden. "Wenn die Lage weiter so bis zum Morgen bleibt, haben wir einen leichten Hoffnungsschimmer", sagte Böther.

20 Hochwassertote

Entspannt war die Hochwasserlage nach wie vor in Lauenburg in Schleswig-Holstein. "Der Pegelstand der Elbe stagniert seit einigen Stunden zwischen 8,65 und 8,66 Metern", sagte Matthias Heidelberg vom Katastrophenstab des Kreises. Er rechne damit, dass der Scheitelpunkt der Flut im Laufe des Freitags erreicht wird.

Die Zahl der Todesopfer durch die Hochwasserkatastrophe hat sich inzwischen auf 20 erhöht. Wie das Innenministerium in Dresden am Freitag mitteilte, sieht die Polizei inzwischen bei zwei bislang nicht klassifizierten Todesfällen einen direkten Zusammenhang mit dem Hochwasser. Es handele sich dabei um einen 65-jährigen Mann und eine 77-jährige Frau, die Herzinfarkten erlegen seien.

(RPO Archiv)
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