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Tipps für Eltern Was tun, wenn das Zeugnis schlecht ist?

Interview | Düsseldorf · Vor dem Ferienstart gibt es in NRW am Wochenende Zeugnisse. Ein Stressthema in vielen Familien, vor allem dann, wenn die Noten nicht so sind wie die Erwartungen. Wie reagieren Eltern richtig aufs Zeugnis? Was tun, wenn es schlecht ist. Sollten Eltern Kinder trotzdem belohnen? Eine Expertin gibt Tipps.

 Mit den Zeugnissen ist in vielen Familien der Stress vorprogrammiert.

Mit den Zeugnissen ist in vielen Familien der Stress vorprogrammiert.

Foto: Krebs Andreas/Gabriel, Werner

Immer dann, wenn es schlechte Noten gibt, ist der Weg von der Schule nach Hause besonders blöd. Erst recht, wenn es nicht nur um eine einzelne versemmelte Klassenarbeit geht, sondern es schwarz auf weiß dokumentiert das Resümee des Lernerfolgs in allen Fächern zum Schuljahresende ist. Für rund 2,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in NRW ist es am Freitag soweit. Damit ist vorprogrammiert, dass in manchen Familien der Haussegen zum Auftakt der Sommerferien schief hängt.

Frau Evertz, gibt es etwas, das Eltern ihren Kindern schon vor der Zeugnisausgabe unbedingt sagen sollten?

Evertz Ja. Kinder sollten keine Angst haben, nach Hause zu kommen. Auch ein schlechtes Zeugnis sollte dafür kein Grund sein. Darum finde ich es wichtig, dass Eltern ihren Kindern schon vorher klar vermitteln: Ich bin vielleicht nicht begeistert, weil ich schon jetzt weiß, dass dein Zeugnis nicht das Beste sein wird, aber wir gucken dann gemeinsam, was wir tun können.

 Petra Evertz ist Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung NRW.

Petra Evertz ist Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung NRW.

Foto: privat

Oft gehen Gepolter und Moralpredigten aber dann doch los, wenn Eltern schwarz auf weiß die Zeugnisnoten in den Händen halten. Wie sollte man mit schlechten Noten umgehen?

Evertz Man kann gar keine pauschale Antwort zum Thema schlechte Noten geben. Es gibt Kinder, die strengen sich total an und haben trotzdem schlechte Noten. Ein Kind, das mit einer schlechten Note nach Hause kommt, ist an sich schon gestraft genug. Das muss man nicht zusätzlich sanktionieren.

Sollte man also schlechte Noten belohnen?

Evertz Gute Noten sind an sich schon eine Belohnung und schlechte Noten bereits genug Bestrafung. Ich empfehle keine feste Belohnung für eine bestimmte Note: Also zum Beispiel für eine 1 gibt es zwei Euro, für eine 2 einen Euro und so weiter. Ich finde es sinnvoller, ein Geschenk als Motivation für die Anstrengung in der Schule insgesamt zu machen oder ein Zeugnis durch eine Familienaktivität zu belohnen. Das kann ein Ausflug sein, ein Kino- oder Kirmesbesuch oder als konkretes Geschenk etwas, von dem man weiß, dass das Kind es sich schon lange wünscht. Eine bestimmte DVD oder ein Buch beispielsweise. Bei Jugendlichen könnte ein Vorschlag sein, abends mit der Familie essen zu gehen und sie das Lokal aussuchen zu lassen.

Eine 1 heißt „sehr gut“, eine 2 bedeutet „gut“, eine 3 „befriedigend“. Kann eine 3 trotzdem gut sein?

Evertz Ich empfehle das Notensystem nicht über zu bewerten. Wie eine Note eingeschätzt werden kann, hängt zum einen vom Leistungsniveau des eigenen Kindes ab. Für ein Kind, das eher schlechte Noten in einem Fach erzielt, kann eine 3 also durchaus gut sein. Zudem hängt die Einordnung einer Note auch vom Klassenschnitt ab. In einer leistungsschwachen Klasse kann eine 3 beispielsweise sehr gut sein. Es geht darum, herauszufinden und zu bewerten, wie gut die einzelne Note für mein eigenes Kind ist.

Was sind häufige Ursachen für schlechte Noten?

Evertz Im Moment haben wir in der Beratungsstelle viel mit den Auswirkungen von Corona zu tun. Wenn die Zeugnisse jetzt schlechter ausfallen, ist das kein Wunder. Die Kinder haben extreme Lücken. Manche haben es hinbekommen, sich selbst am PC mit den Lerninhalten zu beschäftigen. Manche Kinder sind jedoch abgerutscht in ständige digitale Spiele und haben sich gar nicht mehr um den Schulstoff gekümmert. Wir erleben bei vielen Kindern und Jugendlichen eine Zunahme an Sozialphobien, weil die durch die langen Auszeiten von der Schule die Sozialkontakte sehr zurückgegangen sind. Das kann sich alles auf die Noten auswirken. Auch Über- oder Unterforderung spielen eine Rolle. Da muss man als Eltern gut hingucken. Geht es um etwas, das das Kind verpasst hat und das es alleine gar nicht aufholen kann? Etwas, wo eine punktuelle Nachhilfe erforderlich ist? Oder ist es etwas, was das Kind gerade nicht verstanden hat und die Eltern für den Augenblick unterstützen können? Oder geht es um eine andere Form der Lernmotivation? Man muss in jedem Fach hinschauen, woran es liegt.

Ist eine 1 in der Grundschule weniger Wert als die 2 auf dem Gymnasium?

Evertz Nein, ein Kind auf der Grundschule hat einfach noch nicht so viel gelernt wie ein Kind auf der weiterführenden Schule. Das Alter und der damit verbundene Wissensstand ist entscheidend dafür, was das Kind schafft und was nicht. Eine 1 in der Grundschule zu erreichen ist individuell betrachtet ebenso schwierig, wie diese Note auf der weiterführenden Schule zu ergattern. Nicht umsonst gibt es zu Beginn der Grundschule noch keine Noten und die Notengebung wird erst mit der Zeit eingeführt.

Geschriebene Zeugnisse sind nicht mehr zu retten. Darum versuchen es Eltern manchmal mit Anreizen für bessere Noten im kommenden Schuljahr: Was ist vom I-Phone als Belohnung für eine 1 in Mathe zu halten?

Evertz Das ist keine gute Maßnahme. Kinder müssen irgendwann eine Eigenmotivation entwickeln. Das geht durch solche vollkommen übertriebenen Anreize verloren. Sie bekommen ja nicht ein Leben lang etwas dafür, dass sie sich anstrengen.

Ist eine Zeugnisrunde bei Oma und Opa oder den Paten okay? Oder ist das zu viel des Guten?

Evertz Zeugnisse sind ein willkommener Anlass für Kinder und Großeltern zusammenzukommen. Natürlich dürfen Oma und Opa oder nahestehende Personen Zeugnisse auch belohnen. Hier ist es aus meiner Sicht in Ordnung Geld zur Belohnung zu geben.

Warum dürfen Oma und Opa Geld geben, den Eltern aber raten Sie davon ab?

Evertz Oma und Opa sind in einer anderen Rolle. Bei den Eltern liegt das Erziehungsthema. Bei den Großeltern in der Regel nicht. Von den Rollen her ist es vollkommen in Ordnung, wenn die Großeltern verwöhnen und der Erziehungsauftrag klar bei den Eltern bleibt. Darum auch der persönliche Rat, unabhängig vom Gesamtergebnis des Zeugnisses an alle Kinder die gleiche Geldsumme zu geben, statt Geld abhängig von der einzelnen Note zu geben. Sonst kämen Großeltern irgendwie doch in die Erziehungsrolle.

Wie geht man mit Konkurrenz unter Geschwistern um?

Evertz Wenn Geschwisterkinder unterschiedlich gut sind in der Schule, sollte das nicht zum Familienthema gemacht werden. Das gehört auch nicht ins Gespräch mit Freunden. Es ist kontraproduktiv, Kinder dort bloß zu stellen. Die Eltern sollten stattdessen individuell mit dem Kind gucken, was im nächsten Schuljahr an besonderer Unterstützung organisiert werden kann. Ziehen Sie keine Vergleiche und raten Sie auch anderen dazu, dies nicht zu tun. Ich habe es erlebt in einer Familie, in der die Mädchen gut in der Schule waren und der Junge nicht. Der Junge wollte irgendwann gar nicht mehr zu Oma und Opa hin. Erst sehr viel später kam raus warum. Die Großeltern hatten immer gesagt: „Guck mal wie gut deine Schwestern in der Schule sind. Kannst du dich nicht mal ein bisschen anstrengen?“ Dann wurden auch noch die ganzen Cousinen zitiert. Das ist nicht hilfreich, weil so Konkurrenzsituationen entstehen. Die entstehen auch dadurch, dass das Geld vor versammelter Mannschaft übergeben wird. Es ist besser, jedem Kind einzeln seine Belohnung zu geben - dem einen beispielsweise in der Küche, dem anderen im Esszimmer. Am besten bespricht man das schon im Vorfeld der Zeugnisübergabe auch mit Familienangehörigen wie den Großeltern.

Wie helfe ich meinem Kind, wenn es selbst durch schlechte Noten frustriert ist?

Evertz Schreiben Sie als Eltern ein eigenes Zeugnis, auf dem steht, was ihr Kind abseits von Schule gut kann. Auf diesem speziellen Zeugnis, das Mama und Papa beide unterschreiben sollten, sollten Dinge stehen, die das Kind ein bisschen beschreiben. Dort kann beispielsweise die Hilfsbereitschaft innerhalb der Familie stehen, wenn das Kind im Haushalt mit anpackt. Denn es gibt neben schulischem Lernen auch noch andere Entwicklungsaufgaben im Leben, die total wichtig sind. Zum Beispiel der Bereich Sozialkompetenz.

Wie motiviere ich mein Kind?

Evertz Über Anteilnahme an schulischen Themen spüren Kinder das Interesse der Eltern an der Schule und dem, was sie dort machen. Dazu gehört das kontinuierliche Gespräch mit den Kindern über das, was sie in der Schule erlebt aber auch inhaltlich gemacht haben: die Teilnahme an Elternabenden und Elternsprechtagen. Damit ist nicht die ständige Rückkoppelung mit den Lehrern über den Verlauf des Schuljahres gemeint. Es geht um das Interesse am Kind und das Angebot: „Wenn du Hilfe brauchst: Du kannst mich fragen“.

Wo findet man Hilfe, wenn man nicht mehr weiterweiß?

Evertz Für Eltern wie für Kinder gibt es als Hilfe bei Sorgen und Ängsten die „Nummer gegen Kummer“. Kinder erreichen die kostenlose Hotline unter 116 111, Eltern finden Rat unter 0800 1110 550. Daneben gibt es städtische und konfessionelle Beratungsstellen. Diese findet man entweder übers Internet oder über die Kommunen.

Tanja Walter führte das Interview

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