Flutkatastrophe im Westen Aberglaube und Kontrolle im Krisenmanagement

Meinung | Düsseldorf · Die Kräfte der Natur lassen sich nicht beherrschen. Das wird in der Hochwasser-Katastrophe drastisch bewusst. Doch der Katastrophenschutz lässt sich beherrschen - und dabei gibt es ein eklatantes Versagen.

 Die Dorfstraße ist weggerissen. Genauso wie manche Häuser, viele Autos und etlicher Besitz.

Die Dorfstraße ist weggerissen. Genauso wie manche Häuser, viele Autos und etlicher Besitz.

Foto: dpa/Julia Cebella

Andauernder Starkregen hat in der vergangenen Woche dazu geführt, dass Flüsse über die Ufer traten und ganze Ortschaften verwüsteten. Hunderte Menschen kamen ums Leben. Man deutet auf den globalen Klimawandel als Ursache. Mag sein, dass die Klimaerwärmung hier eine Rolle spielt, aber es hat auch schon in früheren Zeiten solche tagelangen starken Regenfälle gegeben. Das Ausmaß der Katastrophe zeigt, dass unser Katastrophenschutz nicht ausreicht, denn die heutige Meteorologie kann solche Wetter vorhersagen. Warum sind die Menschen nicht rechtzeitig gewarnt und evakuiert worden? Warum gibt es an manchen Orten nicht einmal Sirenen? Warum verschnarchte der von unseren Beiträgen finanzierte WDR die erste Nacht, statt den Betroffenen ständig Informationen zur Gefahrenlage zu liefern?

Die Flutgefahren sind die langfristige Folge einer desaströsen Entwässerungs- und Bebauungspolitik. Durch die Begradigung und Kanalisierung der Flüsse haben sich die Flussläufe verkürzt, das Wasser fließt viel schneller ab, und stromabwärts steigt die Überschwemmungsgefahr. Vor allem aber durch die großflächige Entwässerung von Auen und Sümpfen, die Bodenversiegelung und die flussnahe Bebauung sind die Regenfluten so gefährlich geworden: Wasser, das nicht im Boden versickern kann, schwillt zu einer oberirdischen Flut an, die sich dann durch asphaltierte Straßen ihren Weg bricht.

Das ist längst bekannt. Wir leben in dem Aberglauben, dass die Wissenschaft, die Technik und zuständige Politiker die Wassergefahren trotzdem irgendwie magisch kontrollieren. Wenn diese Illusion flöten geht, bekundet man Fassungslosigkeit – über die Verwüstungen und über Armin Laschet, als er beim Besuch der Flut­opfer bei einem kindlichen Gelächter mit Mitarbeitern erwischt wurde. Ein effektiver Katastrophenschutz mit Frühwarnsystem und langfristig eine Renaturalisierung der Flussumgebungen mit Auen, in denen das Wasser versickern kann, wären wichtiger als ein gravitätischer Ministerpräsident. 

Unsere Autorin ist Philosophie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wechselt sich hier mit der Infektionsbiologin Gabriele Pradel ab.

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