Wiederbegegnung mit John Cale

Rock Das Album, um das es hier geht, ist eigentlich nur der Beileger zur neuen Platte von John Cale. Der 74-Jährige hat gerade "M: Fans" veröffentlicht, eine Neueinspielung seines übersehenen Meisterwerks "Music For A New Society" aus dem Jahr 1982. "M: Fans" ist als Idee total gut - Revision des eigenen Werks! -, das Ergebnis klingt aber überhaupt nicht aufregend. Deshalb widmet man sich lieber dem auf der zweiten CD mitgelieferten Original, und wer es bis dato nicht kannte, dürfte begeistert sein: eine unglaublich schöne Platte.

Rock Das Album, um das es hier geht, ist eigentlich nur der Beileger zur neuen Platte von John Cale. Der 74-Jährige hat gerade "M: Fans" veröffentlicht, eine Neueinspielung seines übersehenen Meisterwerks "Music For A New Society" aus dem Jahr 1982. "M: Fans" ist als Idee total gut - Revision des eigenen Werks! -, das Ergebnis klingt aber überhaupt nicht aufregend. Deshalb widmet man sich lieber dem auf der zweiten CD mitgelieferten Original, und wer es bis dato nicht kannte, dürfte begeistert sein: eine unglaublich schöne Platte.

John Cale war Mitbegründer von Velvet Underground, aber er verließ die Band 1968, weil die Kollegen doch eher den Visionen Lou Reeds folgen wollten als seinen. Cale produzierte in der Folgezeit nahezu jede Platte aus jener Ära, deren Einfluss heute noch zu spüren ist: Nico, Jonathan Richman, Stooges, Patti Smith. Er mischte überall mit, Protopunk, Folk und Klassik, er machte Filme und stellte 2009 bei der Biennale in Venedig aus. Seine Großtat ist das Album "Paris 1919" aus dem Jahr 1973, eine augenzwinkernde Aneignung romantischer Popmusik im Geiste Brian Wilsons.

Das fast zehn Jahre später entstandene "Music For A New Society" klingt völlig anders, es ist schroffer, irritierender, voller Schmerz. Man höre sich beispielsweise den Song "Thoughtless Kind" an, eine herzzerreißend vorgetragene Ballade, die von endzeitlicher Percussion gestört wird. Da singt jemand im Dunkel der Einsamkeit, und nur gelegentlich schwebt eine glühende Synthesizer-Melodie durch die eiskalten und menschenleeren Hallräume. So geht es zu auf diesem Album, Cale weckt Stimmungen und dekonstruiert sie zugleich - überall Dornen.

Manchmal erinnert sein Gesang an Johnny Cash, und den Titel "Sanctus (Sanities)" würde man zu gerne mal von Nick Cave gecovert hören. Die Neueinspielung "M: Fans" fällt dagegen stark ab; "Thoughtless Kind" etwa ist nun ein überwürztes Industrial-Monster, das vor Kraft kaum laufen kann. Nichts mehr da vom genialen Minimalismus und der spröden Feinheit der Vorlage. Ihren Zweck hat die Produktion immerhin erfüllt: Sie ermöglicht die (Wieder-) Begegnung mit einer Platte, die man sonst sehr vermisst hätte.

Philipp Holstein

(RP)
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