Bad Kreuznach Wie die Reha zu Hause gelingt

Bad Kreuznach · Nach einer Operation in die Reha-Einrichtung – das ist gang und gäbe. Doch seit 2007 gibt es auch die mobile Rehabilitation. Therapeuten trainieren dabei mit den Patienten zu Hause. Bislang existieren aber nur wenige Anbieter.

Ein Motorradunfall mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma: Der 40-jährige Mann konnte sich nach einer Behandlung in der Klinik zwar gut bewegen und laufen. "Aber er kam mit den praktischsten Dingen im alltäglichen Leben nicht mehr zurecht", erzählt Paul Reuther, Leiter des Zentrums für Neurologische Therapie Rhein-Ahr. Dazu gehörten zum Beispiel Zähneputzen, Rasieren oder Ankleiden.

Ein mobiles Rehabilitationsteam mit verschiedenen Therapeuten kam regelmäßig zu dem Patienten nach Hause, um diese Dinge in seinem gewohnten Umfeld zu üben. "Die Techniken könnte man zwar stationär in einer Reha-Einrichtung einstudieren, aber der Mann hätte sie zu Hause trotzdem nicht anwenden können, er brauchte das Training in seinem Badezimmer vor Ort", sagt Reuther.

Er ist Neurologe und befasst sich seit mehreren Jahren mit der mobilen Rehabilitation. Sein Zentrum in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) ist bislang der einzige Anbieter, der sich bundesweit im Bereich neurologischer Erkrankungen darauf spezialisiert hat. Ein gutes Dutzend anderer Einrichtungen widmet sich überwiegend der mobilen Betreuung von geriatrischen Patienten. Einer der ersten Anbieter war die Kreuznacher Diakonie, die seit 20 Jahren ein mobiles Reha-Team im Einsatz hat und Menschen aller Altersklassen betreut.

"Es ist ein Angebot für Menschen, die schon einen vielfältigen Hilfebedarf haben, auf die Unterstützung von Angehörigen angewiesen sind und zusätzlich einen Bedarf an Rehabilitation haben", sagt Carola Schweizer, zweite Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mobile Rehabilitation. Dazu zählen Patienten nach einem Schlaganfall mit Lähmungen oder Schluck-, Sprach- und Sehstörungen, aber auch Patienten nach einem Oberschenkelhalsbruch und einer Operation.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2011 rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland in Vorsorge- und Reha-Kliniken behandelt. Der Aufenthalt in einer Klinik dauerte im Durchschnitt dreieinhalb Wochen. Laut Schweizer könnten allein im Bereich der Geriatrie mindestens 25 000 Menschen jährlich von mobilen Angeboten profitieren – dafür reichen die Kapazitäten bislang nicht aus.

Viele Patienten fielen einfach durch das Raster für die stationären oder ambulanten Rehabilitationsangebote, sagt Carsten Freitag, stellvertretender Geschäftsführer der ZNS – Hannelore Kohl Stiftung. "Das sind beispielsweise Patienten, die Schwierigkeiten mit der Orientierung haben und in einer fremden Umgebung nur schwer betreut werden können." Die ZNS-Stiftung hilft und berät Menschen mit Schäden am Zentralen Nervensytem (ZNS), zum Beispiel nach Verkehrsunfällen.

Teils machten auch eine Sucht- oder psychische Erkrankung den Aufenthalt in einer Klinik schwierig. In bestimmten Fällen könne es auch vorkommen, dass die Familie die kranken Angehörigen lieber zu Hause haben möchte. Für eine Reha vor Ort spreche dann, dass die Angehörigen angeleitet werden und dem Patienten Vertrauen geben können, sagt Freitag. "Da geht es um ganz konkrete Hilfestellungen: Wie kriege ich den Patienten aus seinem Bett in den Wohnzimmersessel, so dass er am Familienleben teilhaben kann?"

In Modellversuchen wurden schon seit 1991 Konzepte für solch eine mobile Rehabilitation entwickelt. "Seit 2007 ist sie eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse im Sinne von ,Reha vor Pflege'", sagt Schweizer, Soziologin am Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft in Saarbrücken.

Zu den Pflegediensten, die sich vor allem um Körperpflege und Ernährung kümmern, kann das mobile Reha-Team hinzukommen. "Dessen Arbeit unterscheidet sich von normalen Verordnungen für Physio- und Ergotherapie oder Logopädie insofern, dass dieses Team unter ärztlicher Leitung ein Konzept aus einem Guss entwickelt", erklärt Reuther.

In der Wohnung des Patienten ist jedoch nicht das ganze Team auf einmal tätig. Vielmehr werden Einzeltermine von mindestens 45 Minuten an mindestens drei Tagen die Woche vereinbart, teils auch mehrere Termine am Tag, durchschnittlich sechs bis 14 Wochen lang. Dies hängt vom Einzelfall ab.

Bislang fehlen kontrollierte Studien, ob die mobile Rehabilitation auch zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich ist, schreibt Schweizer in einem Fachartikel zusammen mit Matthias Schmidt-Ohlemann vom Rehabilitationszentrum Bethesda der Kreuznacher Diakonie. Der Bedarf sei aber vom Gesetzgeber so begründet worden, Patienten Angebote machen zu können, die "bislang keine Rehabilitationschancen haben".

Warum gibt es jedoch bislang so wenige Angebote? "Es ist ein langwieriges Geschäft, die Bewilligung von den Krankenkassen zu bekommen, um die mobile Rehabilitation abrechnen zu können", sagt Reuther. Ins Leistungsspektrum der Krankenkassen ist sie aber aufgenommen. Als erster Schritt muss sie vom Arzt verordnet werden.

(dpa)
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