Dortmund Wenn Doktoranden abschreiben

Dortmund · Wer sich selbst kopiert, riskiert nicht zwangsläufig den Titel.

Ein Plagiat ist per Definition der Diebstahl von fremdem geistigen Eigentum. In wissenschaftlichen Arbeiten liegt ein Plagiat vor, wenn der Autor der Dissertation Textpassagen von anderen abschreibt, ohne die Quelle zu nennen. Solche Fälle gab es in der Vergangenheit vielfach – es lässt sich relativ leicht nachweisen, ob zu Guttenberg und andere geschummelt haben oder nicht.

Anders sieht es aus, wenn ein Doktorand von sich selbst abschreibt, wie es jetzt Marc Jan Eumann, NRW-Staatssekretär für Medien, vorgeworfen wird. Gegen ihn hat die TU Dortmund ein Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob die im Jahr 2011 anerkannte Doktorarbeit nur eine Erweiterung seiner 20 Jahre früher geschriebenen Magisterarbeit gewesen ist. Denn so sieht es Medienwissenschaftler Arnulf Kutsch nach Angaben des Rechercheblogs der Zeitung "WAZ". Kutsch kritisiert, Eumann habe vor allem seine "eigene Magisterarbeit aus dem Jahr 1991 aufgepeppt, ohne dies im Text der Doktorarbeit deutlich zu machen oder seine eigene Magisterarbeit zu zitieren".

Doch ist das wirklich verboten? Schließlich klaut er ja nicht einer anderen Person die Formulierung, sondern baut unter Umständen lediglich auf Ideen früherer wissenschaftlicher Arbeiten auf. Inwiefern solches Vorgehen den Entzug des Doktortitels legitimiert, ist umstritten und in Deutschland nicht einheitlich geregelt. "Ob ein Doktortitel aberkannt wird, wenn man von sich selbst abgeschrieben hat, muss im Einzelfall von der Hochschule entschieden werden. Der Titel wird nicht zwangsläufig aberkannt", erklärt Martin Steinberger, Justitiar bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Es sei durchaus zulässig, auch auf eigene wissenschaftlichen Vorarbeiten zu rekurrieren. Dabei sei jedoch erforderlich, sich selbst zu zitieren. Wichtig ist vor allem, dass der wissenschaftliche Gewinn einer Doktorarbeit deutlich wird.

Bereits im Jahr 2006 hat die Kultusministerkonferenz kritisiert, dass "zu viele Doktoranden die Promotion als schlichte Fortführung ihrer Diplom- oder Magisterarbeiten an der eigenen Universität" entwickelten, meist sogar an demselben Institut schreiben, in dem bereits die Abschlussarbeiten angefertigt wurden. Doch sehen die Kultusminister hier weniger die Fortführung eines bereits bearbeiteten Themas, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Doktoranden keine Auslandserfahrungen sammeln, als kritisch an.

Eine Antwort auf die Frage, wie man mit eigenen Arbeiten umgehen muss, sollte die Prüfungsordnung der jeweiligen Fakultät geben. Doch selbst hier wird nicht immer klar, ob jemand aus eigenen Arbeiten zitieren darf, ohne dies zu kennzeichnen. In den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis der TU Dortmund steht beispielsweise, dass die "unbefugte Verwertung unter Anmaßung der Autorschaft (Plagiat)" unterlassen werden solle. Über den Umgang mit eigenen Texten, die nicht veröffentlicht worden sind, gibt es keine konkreten Angaben. Ähnlich sieht es bei anderen Hochschulen aus. In den Richtlinien der DFG steht, dass eigene und fremde Vorarbeiten zitiert werden müssen.

Ob Eumann seinen Doktorgrad behalten darf oder nicht, prüft derzeit die Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis der TU Dortmund. Das Ergebnis sei offen, teilte die Sprecherin der Hochschule mit. "Zu den Details des Vorgangs äußern wir uns nicht."

(RP)
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