Künstliche Marsatmosphäre in Göttingen Trainingslager für Landekapsel

Göttingen (RPO). Gibt es Leben auf dem Mars? Um dieser Frage nachzugehen, soll im Jahr 2016 eine Marskapsel auf dem Roten Planeten landen. Damit sie auch sicher ankommt, haben Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen eine künstliche Marsatmosphäre geschaffen.

Postkarten vom Mars
18 Bilder

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Auf diese Weise wollen sie das Verhalten der Raumkapsel beim Eintreten in die Atmosphäre simulieren und so unter anderem den Hitzeschild auf Schwachstellen kontrollieren. "Die Mars-Atmosphäre ist völlig anders als die Luft der Erde", erläutert Klaus Hannemann, Leiter der Abteilung Raumfahrzeuge im DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, das Experiment.

Im Gegensatz zur Erdatmosphäre, die vorwiegend aus Stickstoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist und weniger als ein Prozent Kohlendioxid enthält, besteht die Marsatmosphäre zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Tritt nun die Kapsel mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit in die Atmosphäre ein, entsteht extreme Hitze, unter deren Einfluss sich das Kohlendioxid in seine molekularen Bestandteile zerlegt. "Dies kann die Druckverteilung auf der Kapsel beeinflussen und somit Auswirkungen auf das aerodynamische Verhalten haben", erklärt Hannemann.

Tests am Hitzeschild

Zudem wollen die Forscher überprüfen, ob der Hitzeschild der Kapsel den hohen Temperaturen standhält. Dabei machen sie sich ein bekanntes Phänomen zunutze: das Flimmern der Luft über einer heißen Straße im Sommer. Die Ursache für das Flimmern liegt in der Dichte der Luft. Diese ändert sich je nach Temperatur, wodurch wiederum das Licht unterschiedlich gebrochen wird.

Aus dem Flimmern der künstlichen Mars-Luft um das Kapselmodell können die Wissenschaftler daher auf Dichteunterschiede schließen. Erste Ergebnisse des Experiments liegen bereits vor: Das Heck der Marskapsel ist eine Stelle, auf die bei der Konstruktion besonders geachtet werden muss, denn "dort kann es zum Strömungsabriss und sehr hohen Wärmelasten kommen", berichtet Hannemann.

Die Heimat der künstlichen Atmosphäre ist der Hochenthalpiekanal Göttingen, eine der wichtigsten europäischen Großanlagen zur Erforschung des Hyperschalls und Wiedereintritts von Raumfahrzeugen in Planetenatmosphären. In dem 62 Meter langen Windkanal wird Kohlendioxid zunächst stark verdichtet, auf 4,4 Kilometer pro Sekunde - also nahezu 16 000 Kilometer pro Stunde - beschleunigt, und umströmt dann die Versuchskapsel. Die dabei entstehenden Temperaturen machen mit 6000 Grad sogar der Sonne Konkurrenz.

Der spektakulärste Teil des Experiments ist sicherlich der freie Flug der Landekapsel, die zunächst an dünnen Fäden hängt. Diese verbrennen jedoch, sobald das heiße Gas auf sie trifft, wodurch das Modell für einige Sekundenbruchteile im Windkanal schwebt. Diese kurze Dauer genügt den Forschern, um die notwendigen Messungen durchzuführen.

(DDP/felt)
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