Wissenschaftlicher Durchbruch So sieht das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße aus

Düsseldorf · Mehr als 300 Wissenschaftler weltweit haben jahrelang zusammengearbeitet: für das erste Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Am Donnerstagabend haben die Astronomen ihre Ergebnisse gezeigt.

 Sagittarius A*: Das Schwarze Loch im Zentru unserer Milchstraße.

Sagittarius A*: Das Schwarze Loch im Zentru unserer Milchstraße.

Foto: dpa/-

Es sieht aus wie ein Donut mit drei hellen Punkten. Einsam und verloren in der Dunkelheit des Alls. Tatsächlich befindet es sich im Sternbild Schützen und trägt nach der lateinischen Bezeichnung den Namen „Sagittarius A*“. Und dennoch ist es der Beweis für etwas, das man bislang nur vermuten konnte: Im Zentrum unserer Milchstraße, rund 27.000 Lichtjahre von uns entfernt, befindet sich ein massives Schwarzes Loch. Ein Ort, an dem Masse auf einen so kleinen Raum in sich zusammengefallen ist, dass ab einer gewissen Entfernung noch nicht einmal Licht der Schwerkraft entkommen kann. Diese Grenze nennt man Ereignishorizont. Das Schwarze Loch sieht man darum nur indirekt. Durch Gas, das von der Gravitation in eine Umlaufbahn gezwungen wurde. Eine Scheibe, in deren Mitte etwas ausgetanzt wirkt. Und dieser dunkle „Fleck“ ist mit 22 Millionen Kilometern kleiner als die Umlaufbahn des Merkur um unsere Sonne mit einem Durchmesser von etwa 120 Millionen Kilometern.

Für diesen wissenschaftlichen Durchbruch haben bereits 2017 acht Radioteleskope weltweit den kleinen Bereich im Sternbild Schütze vermessen. Es sei so, als ob man ein Donut auf dem Mond von der Erde beobachten würde, erklärten die Astronomen. Die Daten der einzelnen Radioteleskope erhielten jeweils über Atomuhren einen genauen Zeitstempel. Dann wurden die mehr als sechs Millionen Gigabyte in Supercomputern miteinander verknüpft. Möglich wurde das über eine internationale Kooperation unter den Namen „Event Horizon Telescope“: das Ereignishorizont-Teleskop. Und der haben sich mittlerweile noch drei weitere Radioteleskope angeschlossen. Aber nur über diese Zusammenarbeit konnte eben jene Auflösung erreicht werden, die benötigt wurde. Fast so, als ob man ein einziges Radioteleskop vom Durchmesser der Erde hätte.

Es kamen aber noch weitere Schwierigkeiten hinzu: Weil Sagittarius A* so klein ist, bewegt sich das Gas um den Ereignishorizont schnell und nur innerhalb weniger Minuten mit nahezu Lichtgeschwindigkeit. Darum auch sieht das Bild etwas verwaschen aus. So, als ob man nachts einen fahrenden Zug fotografiert hätte. Die Verfeinerung der Bilder per Supercomputer hat deswegen Jahre benötigt.

Man wusste zwar, dass etwas Massereiches im Zentrum unserer Milchstraße lauert. Schließlich wurden Reinhard Genzel und Andrea Ghez zusammen mit Robert Penrose bereits 2020 mit dem Physiknobelpreis geehrt, weil sie unter anderem die Bewegungen diverser Sterne analysiert hatten. Das Bild beweist nun aber, dass es sich tatsächlich um eine Schwarzes Loch handelt. Mit der Masse von vier Millionen Sonnen. Das war so vorhergesagt worden.

Die neuen Ergebnisse zeigen außerdem, dass wir nicht auf den Rand der Scheibe schauen, die sich um das Schwarze Loch gebildet hat: Wir blicken vielmehr genau auf die Scheibe von Sagittarius A*. Und: Das Bild sieht erstaunlich ähnlich aus wie die bereits 2019 von dem gleichen Team gezeigte Aufnahme des Schwarzen Lochs in der Galaxis M87, das indes so schwer wie 6,5 Milliarden Sonnen ist – mit einem gewaltigen, etwa 40 Milliarden Kilometer durchmessenden Ereignishorizont. Sagittarius A* wirkt dagegen winzig und ist tausendmal leichter mit nur vier Millionen Sonnenmassen. Zudem finden in M87 in 55 Millionen Lichtjahre Entfernung so dramatische Prozesse statt, dass Materie in gewaltigen konzentrierten Masse-Auswürfen, sogenannten Jets, hinausgeschleudert wird.

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Foto: ESA

Sagittarius A* wirkt dagegen ruhig und inaktiv. Nur die drei hellen Punkte auf der Aufnahme sprechen für energiereiche Ereignisse, wenn beispielsweise Gas von dem Schwarzen Loch verschluckt wird.

Und dennoch: Die Bilder gleichen sich. Weil es offenbar etwas gibt, das die Schwarzen Löcher in dieselbe Physik zwingt: die allgemeine Relativitätstheorie. Die neuen Aufnahmen sind darum auch ein erneuter Beweis für die Richtigkeit und Bedeutung der mehr als hundert Jahre alten Überlegungen von Albert Einstein. Aber es bleiben einige Fragen offen: Wie rotiert das Schwarze Loch? Gibt es vielleicht ebenfalls Jets, wenn auch im kleineren Maßstab als in M87? Und wie genau verhält es sich mit den Magnetfeldern dort? Nach jedem großen Schritt steht die Forschung vor einem neuen Anfang.

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