Zu viel Müll Schrotthaufen im All wird zur Gefahr

Düsseldorf (RP). Immer mehr Trümmerteile umschwirren die Erde und entwickeln sich langsam zur ernsten Bedrohung für Raumfähren und Satelliten. Das Problem ist hausgemacht. Denn es ist der Dreck und Müll aus den vergangenen 50 Jahren Weltraumfahrt seit dem Start von Sputnik I im Jahr 1957.

Astronauten winken zuversichtlich in die Kamera an Bord der Weltraumstation ISS. Da passiert es: Ein Blitz durchzuckt das Modul. Die Luft entweicht, der Druck nimmt ab, die Temperatur sinkt — und eine Katastrophe bahnt sich an, weil ein Trümmerstück die Außenhülle durchschlagen hat. Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film klingt, ist eine reale Gefahr. So real, dass Weltraumorganisationen wie die US-amerikanische NASA oder die europäische ESA Alarm schlagen.

Mehr als 600.000 Objekte, die größer als ein Zentimeter sind, umkreisen nach Modellrechnungen die Erde. Nur knapp 13.000 sind so groß, dass sie beobachtet werden können und ihre Bahnen um die Erde sich berechnen lassen. Es ist der Schrott vergangener Weltraummissionen, der bei Explosionen von Batterien oder von Treibstoffresten ausgebrannter Raketenstufen entstand.

Die "Asche" von Feststoffmotoren, Reaktorkühlmittel, Farbpartikel und Fragmente, die beim Einschlag winziger Meteoriten oder beim Zusammenprall irdischer Raumkörper entstand. So wie 1996, als ein französischer Spionage-Satellit in 700 Kilometer Höhe mit einer - als Gefahr bekannten - Ariane- Raketenstufe kollidierte. Aber auch ein Handschuh, eine Kamera und angeblich eine Zahnbürste schwirrten bereits durchs All. Der Dreck der Menschheit, die ins Meer der Sterne aufbricht und dabei ihre eigenen Klippen schafft.

Ausweichmanöver eingeleitet

Der Erdbeobachtungssatellit Envisat leitete 2004 viermal, der Satellit Terra 2005 einmal ein Ausweichmanöver ein, um einer Kollision zu entgehen. Die Raumfähre Discovery musste bereits in sechs Fällen ihre Flugbahn ändern, weil der ursprüngliche Kurs regelrecht verhagelt war. Und das 41 Quadratmeter große Sonnensegel des Weltraumteleskops Hubble zählte 2002 neben Tausenden von Einschlägen
auch 174 "Durchschüsse".

Mit bis zu 15 Kilometer pro Sekunde — das sind 54.000 Kilometer pro Stunde oder 15-mal schneller als eine Gewehrkugel — rasen die Trümmerteile um die Erde. Beim Einschlag haben sie die Wirkung einer Bombe. Und selbst wenn die Folgen scheinbar nicht dramatisch sind — an der richtigen Stelle getroffen, kann ein mehrere Hundert Millionen
Euro teurer Satellit so beschädigt werden, das er sich gleich in die Schrottwolke einreihen kann.

Für die Erde selbst droht selten Gefahr. Je näher der Müll der Atmosphäre kommt, desto stärker wird er abgebremst und verglüht schließlich. Nur höchst selten sind die Trümmerteile so groß, dass sie tatsächlich einschlagen. Doch dem gegenüber steht der Kaskaden-Effekt: Wenn der Schrott miteinander kollidiert, entstehen neue Fragmente die wiederum zusammenstoßen.

Der Müll vermehrt sich selbst, und schon Mitte dieses Jahrhunderts könnte der kosmische Schrotthaufen nach Modellrechnungen so von ganz alleine immer weiter anwachsen. Zum Schutz vor den Trümmerteilen ist das europäische Columbus-Modul für die Weltraumstation ISS mit einem Schutzschild aus Keramik und Kevlar umgeben — dem gleichen Material, aus dem schusssicheren Westen gemacht sind.

Ohne Panzer durchs All

Fragmente bis zu einem Zentimeter Durchmesser können dem Modul nichts anhaben. Gefahr droht aber von Trümmerstücken zwischen 1,5 und fünf Zentimeter Größe, die vom Radar nicht erfasst werden. Sind sie dann noch relativ langsam unterwegs, zersplittert das kosmische Schrott-Geschoss beim Aufschlag auf das Schutzschild nicht in viele kleine und ungefährliche Teile - sondern es durchschlägt die Außenhülle glatt.

Doch zumindest ist das Columbus-Modul den Gefahren nicht schutzlos ausgeliefert. Die meisten Satelliten dagegen schwirren ohne einen Panzer durchs All, weil jede Ummantelung nicht nur in der Konstruktion Geld verschlingt, sondern vor allem schwer ist. Und jedes Gramm ist beim Start mehrere Millionen Euro wert. Da riskieren die Hersteller lieber einen möglichen Zusammenstoß.

(Rheinische Post)
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