Experten warnen Kosmische Strahlung bringt Computer durcheinander

Paris (RPO). Computer werden immer kompakter und leistungsfähiger - und dadurch auch immer anfälliger für kosmische Strahlung. Die winzigen Teilchen aus dem All könnten sogar Herzschrittmacher aus dem Takt oder Züge zum Entgleisen bringen, warnen Experten.

 Computer sind immer anfälliger für kosmische Strahlung.

Computer sind immer anfälliger für kosmische Strahlung.

Foto: AP, AP

Die meisten solcher Vorfälle bleiben unbemerkt und folgenlos. Experten halten schwere Unfälle inzwischen aber für möglich, wenn etwa die Steuerung eines Herzschrittmachers, eines Hochgeschwindigkeitszuges oder einer ABS-Bremse wegen des kosmischen Beschusses versagt.

Vor Millionen von Jahren von weit entfernten Gestirnen oder durch Eruptionen unserer eigenen Sonne ausgesendet, steht die Erde unter einem Dauerbeschuss durch Teilchen aus dem All. Dabei haben vor allem die Atomkerne, Protonen und Elektronen aus den Tiefen des Weltraums eine enorme Energie, denn sie sind auf ihrem langen Weg oft fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt worden.

In der Raumfahrt ist das Problem des "Weltraumwetters" schon lange bekannt. Satelliten sind dem Beschuss ohne Filter direkt ausgesetzt. 1994 führte dieser etwa zum Totalausfall des kanadischen Erdtrabanten ANIK. Elektronische Anlagen im All müssen deshalb durch besondere Abschirmungen geschützt werden. Auf der Erde werden seit den 40er Jahren Kraftwerksausfälle registriert, die allerdings meist Folge massiver magnetischer Stürme waren.

Denn mit dem Eintritt in die Erdatmosphäre werden einzelne Teilchen durch die Kollision mit dortigen Atomen nach und nach abgebremst. Auf der Erdoberfläche kommen deshalb nur wenige der Weltraumreisenden an: So wurden etwa auf Flughöhe von Langstreckenmaschinen noch 10.000 Neutronen pro Stunde und Quadratzentimeter gemessen, auf Meereshöhe dagegen nur zehn pro Stunde. "Nehmen Sie ihren Laptop und machen Sie einen Transatlantikflug", sagt Jean-Luc Autran vom französischen Wissenschaftszentrum CNRS. "Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass er während ihrer Reise mindestens einmal ausfällt und Sie gezwungen sind, neu zu booten."

Auf der Erdoberfläche war das kein Problem, solange Computer noch mit relativ hohen Energien arbeiteten, die über denen noch ankommender kosmischer Teilchen lagen. Doch heute ist das anders: "Mit der Miniaturisierung von Computerteilen kann fortan jedes elektronische Gerät Opfer werden", sagt Autran. "Heute erreicht die Ladung, die durch das Phänomen verursacht wird, dieselbe Größenordnung wie die Ladung, durch die Informationen im Speicher festgehalten werden." Damit kann ein kosmisches Teilchen inzwischen aus einer Computer-Null eine Eins machen oder umgekehrt. "Die Verletzlichkeit der Schaltkreise wächst mit jeder Generation um den Faktor zwei", warnt Autran.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet ein entscheidender Schalter im Rechner umgestellt wird, ist relativ gering. Doch es kommt vor. Im Mai 2003 erwischte es beispielsweise eine Wahlmaschine im belgischen Schaerbeek. Sie zeigte 4096 Stimmen mehr an als bei einer Auszählung per Hand nachgewiesen wurden. Für die Ermittler war die Zahl ein Hinweis auf eine außerirdische Ursache des Problems: Denn 4096 ist die zwölfte Potenz von zwei und kann in Computern durch das Umlegen eines einzigen elektronischen Schalters erzeugt werden.

Weltraumwetter könne "durchaus zu Katastrophen führen", warnte die ESA schon vor einigen Jahren. "So wurden in Schweden durch Weltraumwettereffekte bedingte Fehlfunktionen von Eisenbahnsignalen beobachtet (...) Betroffen sind im Prinzip alle hochtechnisierten Teile einer Gesellschaft, wie die Telekommunikation, die Gas- und Ölindustrie, Energieversorgung und Verkehrswesen." Auch wenn die Hersteller sensibler Anlagen nicht gerne über das Problem reden, arbeiten sie deshalb inzwischen längst an wirksamen Abschirmungen. Und bislang blieb die Katastrophe aus dem All noch aus.

(afp2)
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