Landung am Dienstag Europa nimmt den Mars ins Visier

Darmstadt · Nach sieben Monaten Flugzeit und rund 500 Millionen Kilometern möchte die europäische Weltraumagentur ESA zusammen mit ihrem russischen Pendant Roskosmos am Dienstag auf dem Mars landen.

 Das Landemodul Schiaparelli koppelt drei Tage vor dem unsanften Aufsetzen von der Hauptsonde ab.

Das Landemodul Schiaparelli koppelt drei Tage vor dem unsanften Aufsetzen von der Hauptsonde ab.

Foto: dpa, ase

Es sind Tage und Stunden voller Anspannung für das Team in der Missionszentrale der europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt. Der erste Teil des ExoMars-Programms nähert sich dem Höhepunkt — nach rund sieben Monaten.

Am 14. März war eine mehr als vier Tonnen schwere Sonde samt dem Landemodul Schiaparelli an Bord einer russischen Proton-Rakete gestartet. Die günstige Position von Erde und Mars machte die kurze Flugzeit möglich, die nur der Anfang einer Suche nach Antworten ist — auf die Frage, ob es Leben auf dem Mars gab oder sogar noch gibt.

Der nächste Schritt zur Lösung dieses Rätsels beginnt bereits am 16. Oktober: Dann wird von der Hauptsonde das Landemodul abgekoppelt. Es trägt den Namen Schiaparelli — nach dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli, der im 19. Jahrhundert den Mars beobachtet hatte. In Anerkennung an seine Leistung hat die ESA das 577 Kilogramm schwere und 1,8 Meter hohe Landemodul nach dem Italiener benannt, das einen Durchmesser von 2,4 Meter mit Hitzeschild hat (1,65 Meter ohne Hitzeschild).

Beim Abkoppeln wird Schiaparelli in Rotation versetzt, um die Landesonde mit 2.5 Umdrehungen pro Minute zu stabilisieren. Die Hauptsonde selbst dagegen zündet die Triebwerke, um den Kurs zu ändern und nicht selbst auf den Mars zu zerschellen.

Drei Tage später, am 19. Oktober, wird Schiaparelli 122 Kilometer über der Marsoberfläche mit fast 21.000 km/h und damit mit mehr als 20-facher Schallgeschwindigkeit in die dünne Marsatmosphäre eintreten. Der wie ein stumpfer Kegel geformte Bug-Hitzeschild aus einem Kork-Phenolharz-Gemisch erhitzt sich dabei auf 1800 Grad Celsius und seine Außenschicht schmilzt ab. Die eigentliche Landesonde aber bleibt geschützt. Gleichzeitig wird Schiaparelli dabei abgebremst.

Nach etwa einer Minute und zwölf Sekunden wird das Landemodul mit 19.000 km/h nur noch 45 Kilometer von der Oberfläche entfernt sein. Etwa zwei Minuten später sind es elf Kilometer. Die Geschwindigkeit beträgt dann 1650 km/h und ein zwölf Meter durchmessender Fallschirm öffnet sich als zusätzliche Bremse.

In sieben Kilometern wird der Bug-Hitzeschild abgeworfen. Die Instrumente an Bord von Schiaparelli messen die genaue Höhe über der Oberfläche und die Geschwindigkeit. Schließlich soll es ein kontrollierter "Absturz" werden. Und wenn alles nach Plan läuft, wird die Sonde fünfeinhalb Minuten nach Eintritt in die Marsatmosphäre in 1300 Meter Höhe und mit etwa 270 Kilometer pro Stunde die Brems- und Landetriebwerke zünden — nachdem Fallschirm und auch der Heck-Hitzeschild abgeworfen worden sind.

 Der wahrscheinliche Landeplatz von Schiaparelli auf dem Mars mit seiner dünnen Atmosphäre: Ihre Dichte entspricht am Marsboden der auf der Erde allerdings in 35 Kilometer Höhe.

Der wahrscheinliche Landeplatz von Schiaparelli auf dem Mars mit seiner dünnen Atmosphäre: Ihre Dichte entspricht am Marsboden der auf der Erde allerdings in 35 Kilometer Höhe.

Foto: ESA

Die Triebwerke werden die Sonde so weit abbremsen, dass sie fast über der Oberfläche schwebt, bevor sie abgeschaltet werden. Schiaparelli wird dann nur noch zwei Meter von der Oberfläche entfernt sein — und im freien Fall Nahe des Mars-Äquators eher unsanft aufprallen. Zum Schutz befindet sich auf der Unterseite eine Art Knautschzone wie bei einem Auto, um den Stoß abzufangen.

Rund sechs Minuten nach Eintritt in die Atmosphäre soll das Modul sicher aufgesetzt haben. Es sind die "sechs Minuten des Schreckens", in denen alles Mögliche passieren kann. Ein schnelles Eingreifen der Bodencrew in Darmstadt ist nicht möglich. Schließlich benötigen Signale von der Erde bis zur Sonde rund zehn Minuten.

Damit nicht unvorhergesehene Widrigkeiten die etwas raue Landung zum Problem machen, kann Schiaparelli Unebenheiten bis zu 40 Zentimeter ausgleichen — ebenso wie Steigungen bis zu 12,5 Prozent. Und weil man zwischen zwei Maxima der Sandsturm-Saison des Mars landet, kann die Sonde noch bei einem Seitenwind von bis zu 30 Metern pro Sekunde und bei Auf- oder Abwinden bis zu zwölf Metern pro Sekunde sicher landen. Allerdings hat Schiaparelli nach den jüngsten Daten Glück. Der nächste Sturm wird erst Ende Oktober erwartet.

Während der Landung wird das Modul verschiedene Daten erfassen wie Temperatur, Windgeschwindigkeit oder auch elektrische Felder in der Atmosphäre. Doch lange wird Schiaparelli nicht durchhalten. Nach sechs bis acht Marstagen werden die Batterien erschöpft sein. Die erfassten Daten werden zuvor an die Hauptsonde, die das Modul zum Mars transportiert hat, aber auch andere Forschungssatelliten im Marsorbit gesendet.

Aber warum der Aufwand, wenn der wissenschaftliche Ertrag überschaubar bleibt? Schiaparelli ist ein einziger großer Test für ein neues Landeverfahren, das die Sonde vollständig autonom durchführen muss. Schiaparelli soll beweisen, dass die Computersysteme und die Landetechnik funktionieren. Bevor dann 2020 in einem nächsten Schritt des ExoMars-Programms ein Mars Rover folgen wird — erneut in Kooperation der ESA mit Roskosmos.

Doch der Test alleine würde die Kosten der ESA von rund 1,3 Milliarden Euro nicht rechtfertigen. Die Hauptsonde, die Schiaparelli zum Mars gebracht hat, wird Pionierarbeit leisten — in mehrfacher Hinsicht. Zwar wird die Sonde schlussendlich eine niedrige Bahn um den Roten Planeten erreichen. Doch anstelle von Triebwerksmanövern wird die ESA zum ersten Mal das bereits erfolgreich von der NASA erprobte Aerobraking einsetzen: Dabei lässt man die Sonde viele hundert Mal die Hochatmosphäre streifen. Jeder Durchgang bremst sie etwas ab. So wird die Umlaufbahn langsam verändert. Das Ziel ist eine kreisförmige Bahn — 400 Kilometer über dem Mars. Die wird dann Ende 2017 erreicht werden, und die wissenschaftliche Arbeit kann beginnen.

Die Sonde selbst trägt dabei den wenig griffigen Namen TGO. Das steht für Trace Gas Orbiter — der Spurengas-Satellit. Die Spannweite seiner Solarsegel beträgt 17,5 Meter.

Die Sonde selbst ist 3,2 mal zwei mal zwei Meter groß und soll — wie der Name schon sagt — in der dünnen Marsatmosphäre nach Spurengasen suchen. Nach Stoffen also, die dort nur in sehr geringen Mengen vorkommen. Vor allem Methan. Das wurde bereits in geringer Konzentration auf unserem Nachbarplaneten gemessen. Aber unklar ist, an welchen Stellen genau es austritt, wie sich die Konzentration im Laufe eines Marsjahres verändert und vor allem, was der Ursprung des Methans ist.

Das Interesse hat einen einfachen Grund: Alle plausiblen Theorien für das Vorkommen des Gases in der Marsatmosphäre setzen flüssiges Wasser und Wärme voraus, zumindest also lebensfreundliche Bedingungen. Möglicherweise könnten sogar biologische Prozesse dafür verantwortlich sein — also Leben.

Die Frage ist, ob tatsächlich noch lebende Mikroben für das Gas verantwortlich sind. Vielleicht sind sie längst tot und das Methan ist nicht mehr als ein Relikt. Eingeschlossen in Eis als Hydrat unter der Oberfläche. Das würde erklären, warum sich die Konzentration im Laufe eines Marsjahres ändert: Nur in den wärmeren Perioden des Planeten würde es freigesetzt.

Doch es sind auch geologische und geochemische Prozesse vorstellbar, bei denen Methan entsteht — und die nichts mit Leben zu tun haben. TGO wird mit einer bis dahin nicht erreichten Genauigkeit über mehrere Marsjahre die Konzentration von Methan und anderen Spurengasen messen sowie unter anderem nach Wasser bis zu einem Meter unter der Marsoberfläche suchen.

Diese Daten dienen auch dazu, ein Gesamtbild von dem Planeten zu erhalten. Bevor 2020 der ESA/Roskosmos-Mars-Rover zu unserem Nachbarplaneten gestartet wird. Das Fahrzeug soll unter anderem nach Leben oder dem suchen, was von einstigen Kleinstlebewesen überdauert hat und aus einer Zeit stammt, als der Mars lebensfreundlichere Bedingungen geboten hat.

Dafür ist der Rover mit einem Bohrarm ausgerüstet, der Proben aus bis zu zwei Meter Tiefe entnehmen und sie analysieren kann. Dazu ist indes ein Landegebiet erforderlich, das relativ flach ist. Und in dem sich Sedimente finden lassen, die aus der Periode stammen, in der es fließendes Wasser und stehende Gewässer auf dem Mars gab. Nur so gelangt der Rover tatsächlich an Proben, in denen Lebewesen konserviert sein könnten. Sehr wahrscheinlich wird die Landestelle in der Oxia Planum liegen — eine 3,9 Milliarden Jahre alte Ebene mit Tonsedimenten auf der Nordhalbkugel des Mars.

Diese Suche nach Leben erklärt auch den Namen des Programms: Das Exo in ExoMars steht für Exobiologie — dem Forschungszweig, der sich mit der Entstehung und der Existenz außerirdischen Lebens beschäftigt.

(jov)
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