Testsatellit hebt am Mittwoch ab Europas Kompass im All wird endlich Realität

Paris (rpo). Kurz nach Weihnachten will sich Europa endlich einen sehnlichen Wunsch erfüllen: Hoch über den Wolken soll es einen eigenen Kompass erhalten, mit dessen Hilfe Menschen sich überall auf der Erde besser zurecht finden können. Das Navigationssystem Galileo ist die europäische Antwort auf das erfolgreiche amerikanische GPS-System.

 Europa macht sich selbst ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.

Europa macht sich selbst ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.

Foto: AFP, AFP

Nachdem jahrelang um Finanzierung und Standorte des Milliardenprojekts gestritten wurde, soll am Mittwoch der erste Testsatellit abheben. Der Alte Kontinent fiebert der Premiere entgegen, die für Europas Raumfahrt den Beginn einer neuen Ära einläutet.

Schon die Konstellation beim Start von GIOVE-A belegt, wie viele Interessen hinter Galileo stehen: Der gut 600 Kilogramm leichte Testsatellit, der an einen großen dunklen Würfel erinnert, wurde in Großbritannien gebaut und soll auch von dort aus zunächst gesteuert werden. Ins All bringen soll ihn ab 6.19 Uhr MEZ die französisch-russische Betreibergesellschaft Starsem - vom kasachichen Weltraumbahnhof Baikonur aus und mit einer russischen Sojus-Fregat-Rakete.

Das Satellitensystem ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Raumagentur ESA und der Europäischen Union (EU). Die Galileo-Betreibergesellschaft wird in Toulouse und London angesiedelt, die Kontrollzentren für den Dauerbetrieb kommen nach Oberpfaffenhofen bei München und Fucino bei Rom. Bis 2010 sollen 30 Galileo-Satelliten im All sein, die jeweils von Kontrollzentren in Darmstadt und Toulouse aus auf die richtige Position geschickt werden. Um diese Verteilung rangen Industrieunternehmen und Staaten lange, eine Einigung wurde erst Anfang Dezember verkündet.

Nicht nur ESA-Sprecher Dominique Detain ist froh, dass das seit Jahren geplante Galileo Realität wird. Der Übergang von der Theorie zur Praxis sei "ein wesentlicher Schritt", sagt er. Die Europäer betreten in mehrfacher Hinsicht Neuland: GIOVE-A soll in nur gut 23. 000 Kilometern Höhe über der Erde schweben und diese jeweils in etwa 14 Stunden umrunden. Mit diesem so genannten mittleren Orbit fehlen noch Erfahrungen. "Wir kennen die radio-elektrische Umgebung dieser Umlaufbahnen noch nicht genau", sagt Detain.

Zudem wird GIOVE-A die beiden bislang zuverlässigsten Rubidium-Atomuhren an Bord haben - und Genauigkeit ist der Trumpf, den Europa gegenüber dem vom US-Militär betriebenen Global Positioning System (GPS) ausspielen will. Auf Meter genau sollen Nutzer mit Hilfe der Galileo-Signale ihren Weg finden. Galileo soll Auto-Diebstahlsicherungen und die Überwachung verurteilter Straftäter mit "elektronischen Fußfesseln" ermöglichen, mittelfristig können etwa selbst Wartende an Haltestellen informiert werden, wo sich ihr Bus gerade befindet. Möglich sind solche Anwendungen auch mit GPS; das amerikanische System ist aber absichtlich etwas weniger genau und kann zudem etwa in Krisensituationen von US-Militär teilweise außer Kraft gesetzt werden.

Für Europa ist Galileo nach Angaben der Pariser ESA-Zentrale das größte gemeinsame Technologieprojekt. Immerhin 3,8 Milliarden Euro soll das System nach heutigen Schätzungen kosten. Mittelfristig sollen die Einnahmen aber die Investitionen mehr als vier Mal übersteigen. Der Name der Testsatelliten GIOVE erinnert an Jupiter (italienisch: Giove), dessen vier größte Monde einst vom genialen Astronomen Galileo Galilei entdeckt worden waren.

GIOVE-A soll allererste Funktionstests ermöglichen und zugleich die Funkfrequenz sichern, die Galileo von der Internationalen Telekommunikations-Union ITU zugeteilt bekam. Damit diese Freqeuenz nicht verloren geht, muss sie spätestens im Juni 2006 genutzt werden. Um auch bei Problemen mit GIOVE-A dieses Ziel zu erreichen, steht GIOVE-B bereit. Dieser zweite Testsatellit dürfte im März gestartet werden. Er soll eine noch etwas genauere Ortbestimmung ermöglichen.

(afp)
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