Jahrespressekonferenz der ESA Erde, Mond, Mars und darüber hinaus

Eine Mission zu Mars, neue Astronauten und der unbemannte Sprung zum Mond: Der Generaldirektor der europäischen Weltraumorganisation ESA, Josef Aschbacher, skizziert, vor welchen Herausforderungen man in diesem Jahr steht. An der Kooperation mit Russland will man festhalten.

 Ein am Computer generiertes Bild zeigt eine mögliche Basisstation auf dem Mond.

Ein am Computer generiertes Bild zeigt eine mögliche Basisstation auf dem Mond.

Foto: dpa/-

Der Weltraum scheint groß und unbegrenzt – und dennoch wird es eng rund um die Erde. Angesichts der zunehmenden privaten Weltraum-Aktivitäten, die vor allem von Kostenpflichtiger Inhalt Elon Musk und seinem Unternehmen SpaceX vorangetrieben werden. Beim Start des James-Webb-Teleskops am 25. Dezember 2021 musste man immer wieder Rücksicht nehmen. Auf die mehr als tausend Starlink-Satelliten, mit denen Elon Musk weltweit einen Internetzugang bieten möchte. Das Anliegen selbst mag nicht verkehrt sein. „Aber wir benötigen eine Regulierung“, sagt ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher. Ende des vergangenen Jahres hatte bereits China bei den Vereinten Nationen eine Beschwerde gegen die USA eingereicht, weil die chinesische Raumstation Tiangong den Kurs ändern musste – um Starlink-Satelliten auszuweichen. Man sei in der Pflicht, die eigenen Weltraumsysteme und Projekte zu schützen, so Aschbacher. Darum müssen international Gespräche geführt werden. Die ESA selbst will mit guten Beispiel vorangehen: So sollen in Zukunft mit jedem neuen europäischen Satelliten ein alter stillgelegt und aus dem Erd-Orbit entfernt werden.

Und doch ist das nur eins der vielen Vorhaben, die von der ESA und Aschbacher in diesem Jahr verfolgt werden: Mehr als rekordverdächtige 23.000 Kandidatinnen und Kandidaten hatten sich beworben, um neue Astronauten zu werden. Bis zum Ende des Jahres sollen vier bis sechs geeignete Bewerber ausgesucht werden. Derzeit seien 1362 Kandidaten in der engeren Wahl – darunter mehr als 500 Frauen. Ebenso erfreulich sei, dass das weltweit einzigarte Parastronaut-Programm 287 Bewerbungen nach sich gezogen hat. Darüber sucht man behinderte Menschen, die in den Weltraum aufbrechen wollen und können. 29 seien nun in der engeren Wahl – darunter acht Frauen. Der Weltraum scheint vor allem junge Menschen zu begeistern, glaubt Josef Aschbacher angesichts der Zahl der Kandidaten, die dem Aufruf der ESA gefolgt waren.

Allerdings: Sie sind immer noch auf andere Nationen angewiesen, um ins All zu starten. Neben den USA, China und Russland wird Indien voraussichtlich im nächsten Jahr mit „Gaganyaan“ in der Lage sein, Menschen in den Weltraum zu befördern. Europa ist es indes immer noch nicht, wie Aschbacher feststellt. Er will eine Initiative starten, um das zu ändern. Die ESA soll ein eigenes System für bemannte Missionen haben. Schließlich sei Europa der Kontinent, von dem sich im 15. und 16. Jahrhundert große Entdecker auf den Weg gemacht hätten. Das ist indes auch eine Geldfrage: Die amerikanische Weltraumbehörde NASA hat ein Budget von mehr als 23 Milliarden US-Dollar, die ESA dagegen verfügt für 2022 über knapp 7,2 Milliarden Euro.

Damit wird man sich weiter an dem Artemis-Programm der USA beteiligen, mit dem die Vereinigten Staaten wieder Menschen auf dem Mond landen wollen. Die ESA stellt das Service-Modul zur Verfügung, das unter anderem die Sauerstoff-Versorgung steuert. In diesem Jahr soll der erste unbemannte Flug stattfinden. So sichert man sich auch Startplätze für europäische Astronauten. Kostenpflichtiger Inhalt Zumindest bis zum Mond. Ob die dann auch dort landen können und nicht nur im Mondorbit verharren? Das wird verhandelt.

Dafür werden mit Thomas Pesquet (bis November 2021), mit derzeit Matthias Maurer und im Anschluss mit Samantha Cristoforetti für anderthalb Jahre durchgehend Europäer an Bord der Internationalen Raumstation ISS sein. Aschbacher nennt das ein „goldenes Zeitalter“. Zumal er sich dafür ausspricht, die ISS bis 2030 weiter zu betreiben. Auch mit Russland trotz der möglichen irdischen Konflikte in der Ukraine. „Raumfahrt und Politik sind voreinander getrennt“, betont Josef Aschbacher. „Und unsere Kooperation bezieht sich auf langfristige Projekte.“

Eins davon ist der Start des Rosalind-Franklin-Mars-Rovers im September – benannt nach der gleichnamigen britischen Biochemikerin. Der Rover soll im Rahmen der „ExoMars“-Mission im Juni 2023 auf unserem Nachbarplaneten landen. Und es ist ein gemeinsames Projekt mit der russischen Weltraumbehörde Roskosmos, um nach Spuren von Leben auf dem Mars zu suchen. Die hofft man auch auf den Eismonden unseres Sonnensystems zu finden: Noch einige Jahre in der Zukunft liegt indes der Plan, eine Eis- und Wasserprobe beispielsweise vom Saturnmond Enceladus zu nehmen und sicher zur Erde zurückzubringen.

Weitere Meilensteine, die 2022 anstehen, sind andere unbemannte Missionen: Die neuen Raketen „Vega C“ für den erdnahen Orbit und vor allem der Schwertransporter „Ariane 6“ sollen in diesem Jahr ihren Jungfernflug absolvieren, wobei das bei der neuen Ariane noch ein wenig unsicher ist. Damit möchte man auch neben der SpaceX-Konkurrenz bestehen.

Weiterhin möchte die ESA die Erdbeobachtung weiter ausbauen. Da sei man weltweit führend, um unter anderem bei Krisen und Katastrophen wie der Flut im Sommer vergangenen Jahres schnell Informationen aus dem Erdorbit zu liefern. Der neue MTG-Satellit soll zudem für bessere meteorologische Erkenntnisse sorgen. Und mit allen Daten der Erdbeobachtungssatelliten wird eine digitale, zweite Erde geschaffen – um vor allem auch mit Blick auf den Klimawandel Vorhersagen treffen zu können. Beispielsweise welche Effekte bestimmte Maßnahmen haben werden wie eine früherere Abschaltung von Kohlekraftwerken. Aber auch da holen irdische Probleme die ESA wieder ein: Der Satellit „Sentinel 1B“ hat kurz vor Heiligabend einen Ausfall gemeldet. Offenbar arbeitet die Datenübertragung nicht mehr richtig, aber auch das Ersatzsystem scheint nicht zu funktionieren. Und das gesamte Copernicus-Programm zur Erdbeobachtung steht vor einer Finanzierungslücke in Höhe von 750 Millionen Euro, weil Großbritannien aus der EU ausgetreten ist und es in London Vorbehalte zur weiteren Beteiligung gibt.

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