Düsseldorf Genom des Weizens ist entschlüsselt

Düsseldorf · Die DNA der Weizen-Pflanze ist fünfmal so groß wie die des Menschen. Die neuen Erkenntnisse sollen die Zucht besserer Sorten vereinfachen. Derzeit deckt die Menschheit ein Fünftel ihres Kalorienbedarfs durch Weizen.

Eine scheinbar einfache Pflanze gehört für Gen-Forscher zu den kompliziertesten Produkten der Natur: der Weizen. Die Getreide-DNA ist fünfmal so groß wie die des Menschen. Nach drei Jahren Arbeit haben Forscher den genetischen Code des Grundnahrungsmittels entschlüsselt. "Dieses Wissen kann die Züchtung, den Anbau und die industriellen Eigenschaften des Weizens wesentlich verändern", sagt Klaus Mayer, Pionier der Gen-Forschung am Helmholtz-Zentrum in München.

Die Idee zur Entschlüsselung des Weizen-Genoms reifte im Jahr 2000. Damals präsentierten Forscher die erste vollständig analysierte DNA einer Pflanze: der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), ein in Europa weit verbreitetes Unkraut aus der Gruppe der Kohlgewächse. "Wir haben damals davon geträumt, irgendwann einmal den Weizen sequenzieren zu können", erinnert sich Meyer. Aber das Weizen-Genom ist mit 17 Milliarden Bausteinen ein Riese. Es sollte elf Jahre dauern, bis die Analysetechnik für das Mammut-Projekt weit genug fortgeschritten war. Seit ein paar Wochen liegt der größte Teil des Erbguts der Getreidepflanze nun Baustein für Baustein kartographiert vor.

Der Blick auf deutsche Äcker zeigt, dass Weizen noch besser werden kann. Die Sorten-Vielfalt ist nicht so groß, wie sie sein könnte. Die derzeit verwendeten Weizen-Arten liefern zwar gute Erträge, aber sie schöpfen das Potenzial der Kulturpflanze kaum aus. In Deutschland erfreuen sich Sorten wie Dinkel, Emmer und Einkorn wegen des intensiveren Geschmacks und ihrer Inhaltsstoffe großer Beliebtheit.

Aber der Markt kommt in Bewegung. "Bei den meisten Züchtern bemerkt man seit ein paar Jahren ein Umdenken", sagt der Weizenforscher Benjamin Kilian vom Leibniz-Institut in Gatersleben. Nicht nur die Verbraucher liefern gute Gründe, den heutigen Weizen zu verändern. Weizen reagiert empfindlich auf den Klimawandel. Eine Studie der Stanford-Universität besagt, dass der Anstieg der Durchschnittstemperatur um ein Grad zu Ernteeinbußen von zehn Prozent führen könnte. Statistisch gesehen, deckt die Menschheit ein Fünftel ihres Kalorienbedarfs durch Weizen.

Der Schlüssel für die Verbesserung liegt im Weizen selbst. "Manche ältere Sorte besitzt eine natürliche Resistenz gegen bestimmte Schädlinge oder kommt besser mit schlechten Böden oder widrigem Wetter zurecht", sagt Kilian. Aber bei der Gewinnung neuer Sorten stehen die Züchter vor den gleichen Problemen. Sorten, die ein vorteilhaftes Gen besitzen, übertragen nicht nur die positive Eigenschaft, sondern unerwünschte Nebeneffekte, die die Pflanze für den Ackerbau unbrauchbar machen.

Bisher mussten die Züchter die Pflanzen über einen längeren Zeitraum anbauen, mühsam ihre Eigenschaften untersuchen und optimieren. Jetzt reicht ein Sprössling mit ein paar Blättern, die die Züchter für einen DNA-Test verwenden. Denn parallel zur Erbgut-Analyse entwickeln die Forscher molekulare Marker, mit denen sich für Tausende ermitteln lässt, ob sie in einer Pflanze vorkommen oder nicht. So können die Züchter die guten Ergebnisse der Zucht schneller von den schlechten Exemplaren trennen.

Die Weizen-DNA spiegelt die Entstehung der Pflanze wider. Das Erbgut enthält die Strukturen der drei Typen des Ur-Weizens. Der erste gemeinsame Vorfahr, der in der Natur die Genome vom Typ A und Typ B zusammenführte, entstand vor etwa 500 000 Jahren. Vor 10 000 Jahren kam dann ein Weizen des Ur-Typs D dazu - der genetische Auslöser für den Ackerbau des sesshaft gewordenen Menschen. "Es scheint so, als ob der Weizen die Fähigkeiten der einzelnen Ur-Typen konservieren konnte. Vielleicht ist das das Rezept für den Erfolg des Weizens als Kulturpflanze, weil das genetische Rüstzeug eine hohe Anpassungsfähigkeit ermöglicht."

Beim Weizen bestehen 80 Prozent des Erbguts aus Wiederholungen von mehrfach vorkommenden Genen. Die Anzahl der Kopien des gleichen Gens beeinflusst die Pflanze massiv. Im Wintergetreide kommt ein bestimmtes Gen sechsmal vor. Dieses Getreide benötigt Kälte zum Wachstum, kann dafür aber schon früh im Jahr geerntet werden. Beim Sommergetreide ist das gleiche Gen in weniger Kopien vorhanden. Das Getreide verliert damit die Widerstandsfähigkeit gegen niedrigere Temperaturen, wächst andererseits aber auch im Sommer.

Ob die Erkenntnisse den Weizen verbessern werden, entscheiden die Saatgut-Züchter. Sie haben drei Kriterien: hohe Erträge, Widerstandfähigkeit gegen Krankheiten und industrielle Verwendung.

(RP)
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