Weiße Fahne steckte am Besenstiel im Hosenbund
Im März 1945 marschierten die Amerikaner in Willich ein, wo ich mit meiner Mutter bei meinen Großeltern lebte. Die Soldaten schmissen uns aus dem Haus, jeder durfte nur eine Decke mitnehmen. Wir fanden Unterschlupf bei den Nachbarn. Nach einigen Tagen wollte mein Großvater draußen nach dem Rechten sehen. Er konnte wegen seines Asthmas nur langsam gehen und hatte das weiße Tuch vergessen, das anzeigte, dass man sich ergeben hatte. Die Amerikaner schossen auf ihn, er schaffte es noch zurück in den Keller unter der Scheune. Meine Mutter zog sofort ihre Jacke aus und stopfte sie in das große Loch in seinem Oberkörper. Ich, damals etwa sechs Jahre alt, musste mich umdrehen und hörte nur noch einen Rums. Mein Opa war umgefallen und tot. Wir banden an einen Besenstiel ein weißes Tuch und steckten es in den Hosenbund. Meine Oma, meine Mutter und ich trugen die Leiche dann in den Garten. Ich musste an den Füßen anpacken, wir mussten oft absetzen. An drei aufeinanderfolgenden Tagen gruben meine Mutter und ich für ihn das Grab auf dem Friedhof - immer das weiße Tuch im Hosenbund. Als das Loch tief genug war, wickelten wir ihn in ein Tuch, schafften ihn auf einen Leiterwagen und zogen ihn zum Grab. Als meine Mutter und meine Oma die Leiche hineinwarfen, musste ich mich wieder umdrehen. Den Rums des Aufpralls auf der Erde höre ich bis heute.
Beim Schreiben meiner Geschichte sind wieder viele Tränen geflossen. Auch nach 70 Jahren sind diese Ereignisse nicht verarbeitet.
Karin Schwengers aus Willich