Rätsel des Alltags Was bringt der Löffel in der Sektflasche?

Frankfurt/Main · Es ist fester Bestandteil vieler Familienfeiern: Nachdem jeder Gast verkündet, nun wirklich keinen Sekt mehr zu wollen, springt der Gastgeber auf und steckt einen Löffel in die angebrochene Sektflasche. Damit der Schaumwein auch ja frisch und prickelnd bleibt. Doch was bringt dieser vermeintliche Trick wirklich?

Experten sind sich sicher: Dieser Kniff bringt rein gar nichts. Wie Renate Mroncz von der Sektkellerei Rotkäppchen erklärt, bleibt das Kohlendioxid (CO2) in einer Flasche Schaumwein nur so lange vollständig gelöst, wie Gegendruck besteht. Im Kopfraum der Flasche besteht Überdruck. Öffnet man die Flasche, entweicht das CO2 allmählich. Allerdings dauere dieser Prozess länger, wenn die Flüssigkeit kalt sei, sagt Mroncz. Denn in kalten Flüssigkeiten bleiben Gase besser gelöst als in warmen. Einen Silberlöffel in die Flasche zu hängen, bringe nichts: "Ich weiß nicht, woher dieser Tipp kommt."

Auch andere Experten können nicht genau sagen, wer das Löffel-Gerücht in die Welt gesetzt hat. Rainer Schweppe, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, vermutet, dass der Rat von US-Forschern stammt. Ihre Annahme erscheint dabei durchaus schlüssig: Stellt man eine geöffnete Sektflasche mit Silberlöffel in den Kühlschrank zurück, soll der Silberlöffel warme Luft im Flaschenhals schneller nach außen leiten. Dadurch bleibe mehr Kohlensäure im Sekt gelöst, glaubten die Forscher. Sie wollten dabei die besonderen Eigenschaften von Silber nutzen: Es leitet Wärme besser als andere Metalle.

Doch Schweppe fand bei seiner Testreihe, dass der Silberlöffel in der Flasche keinen messbaren Effekt hatte. Der Chemiker verglich die Temperaturen einer Sektflasche mit kurzem Silberlöffel, einer Flasche mit langem Silberlöffel und einer Flasche ohne Löffel über einen Zeitraum von zwei Stunden miteinander. "Durch den Löffel wurde kein schnellerer Abkühlungseffekt erzielt", berichtet Schweppe. Dabei sei die Löslichkeit von Kohlendioxid "streng proportional" zur Temperatur. Mit anderen Worten: Der Sekt in den Flaschen mit Silberlöffel war nach zwei Stunden genauso schal wie der in der Flasche ohne Löffel.

Eine Rolle könnte bei dem Experiment allerdings gespielt haben, dass der Löffel die Flüssigkeit nicht berührte. Denn das Gaspolster im Flaschenhals leitet die Wärme schlecht ab. Vielleicht, sagt Schweppe, wäre das Ergebnis sonst etwas anders ausgefallen. Doch wer stellt schon eine volle Sektflasche offen in den Kühlschrank?

Mit diesem Ergebnis steht das Fraunhofer-Institut nicht allein. Auch der Besteckhersteller WMF ging in seinem Labor der Löffel-Frage auf den Grund: Die Experten stellten zwei angebrochene Sektflaschen die eine mit, die andere ohne Silberlöffel, in den Kühlschrank. Am nächsten Tag war die Temperatur in beiden Flaschen gleich, wie Pressereferent Thomas Dix berichtet. Auch geschmacklich stellten sie keinen Unterschied fest. Theoretisch sei es durchaus denkbar, dass das Silber Wärme aus der Flasche leite. "Aber das geschieht allenfalls in homöopathischen Dosen", sagt Dix.

Auch bei einem Experiment der Sektkellerei Geldermann erwies sich der Silberlöffel als wirkungslos, wie Betriebsleiter Marc Gauchey berichtet. Und der Sprecher des Deutschen Weininstituts, Ernst Büscher, sagt über den Trick: "Ich habe das selbst schon probiert. Es bringt nichts!"

Wie das Deutsche Grüne Kreuz berichtet, schritt bereits 1987 die Dachorganisation der Champagner-Hersteller, das "Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne", höchst selbst zum Versuch. Mit einem Gasdruck-Messgerät wurde getestet, ob geöffnete Champagner-Flaschen mit einem Löffel im Hals nach 24 Stunden mehr gelöstes Kohlendioxid enthalten. Resultat: Kein messbarer Unterschied.

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Daher raten alle Experten zu einem dichten Sektflaschenverschluss. Außerdem sollte man den Schaumwein gleich nach dem Öffnen kühlstellen, weil das Kohlendioxid bei Zimmertemperatur sehr schnell entweicht. Noch dazu sorgt in die Flasche dringender Sauerstoff für aromaschädliche Oxidationsprodukte. Das kann für Genießer nur heißen: Flasche so schnell wie möglich leeren!

(ap)
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