Rätsel des Alltags Warum werden Grillen von ihrem Zirpen nicht taub?

London (rpo). In lauen Sommernächten gehört das Zirpen von Grillen eigentlich zu einem stimmungsvollen Abend dazu. Aber wie können die Tierchen diesen höllischen Lärm, den sie da erzeugen, eigentlich aushalten, ohne selbst taub zu werden?

Das rhythmische Zirpen der Grillen ist für die Insekten selbst fast so laut wie ein Presslufthammer. Warum die Tiere dennoch nicht schwerhörig werden und in den Gesangspausen problemlos das Zirpen ihrer Artgenossen wahrnehmen können, haben jetzt James Poulet und Berthold Hedwig von der Universität Cambridge in Großbritannien herausgefunden. In der aktuellen Ausgabe des britischen Wissenschaftsmagazins "Nature" (Bd. 418, S. 872) berichten die Forscher: Das Nervensystem der Grillen enthält einen eingebauten Gehörschutz.

Das Zirpen der Mittelmeerfeldgrille (Gryllus bimaculatus) gehört zu den Hintergrundgeräuschen eines lauen Sommerabends in südlichen Ländern. Für die Sänger selbst aber müsste es eigentlich ohrenbetäubend sein: An den Vorderbeinen, wo die Grillen ihre Ohren haben, herrscht während des Gesangs ein Schalldruck von mehr als 100 Dezibel. Das ist etwa so viel Lärm wie auf der Tanzfläche einer Discothek und lauter als ein Presslufthammer in sieben Metern Entfernung.

Ohren auf Durchzug

Die Neurowissenschaftler der Universität Cambridge untersuchten die Aktivitäten verschiedener Nervenzellen während des Grillengesangs, der von den Grillenmännchen durch rhythmisches Aneinanderreiben der Deckflügel hervorgebracht wird. Dabei stellten sie fest: Die Nervenzellen, die das Zirpen steuern, senden nicht nur Signale zu den Flügeln, die dann Töne zum Anlocken von Weibchen und zum Abschrecken männlicher Konkurrenten erzeugen. Parallel werden auch Nervenzellen des Gehörsystems gereizt, die so genannten Omega-1- Neuronen. Diese hemmen die Lautwahrnehmung.

Immer wenn die Grille zirpt, schalten ihre Ohren daher "auf Durchzug". In den kurzen Pausen dazwischen ist das Insekt dann wieder ganz Ohr. Daher bleibt zum einen trotz des selbst erzeugten Lärms die Empfindlichkeit des Gehörs erhalten. Zum anderen kann die Grille so zwischen eigenem und fremdem Gesang unterscheiden.

Dieser "Trick" des Nervensystems spielt möglicherweise nicht nur bei Insekten eine Rolle, schreibt der Neurobiologe Ron Hoy in einem begleitenden Kommentar in "Nature". Ein ähnlicher Mechanismus könnte beispielsweise auch dafür verantwortlich sein, dass man sich nicht selbst kitzeln kann. Denn auch in diesem Fall ist dass Nervensystem bekanntlich für selbst erzeugte Reize unempfindlich.

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