Vatertag Warum Väter ihre Söhne ständig fragen, ob es ihnen gut geht

Der Vater fragt ständig: "Alles fit?" Der Sohn antwortet: "Ja." Es ist immer dasselbe. Und deshalb so beruhigend.

Mir ist aufgefallen, dass ich mit David spreche wie mit einem Kind. Eigentlich wollte ich mit meinem Sohn nicht reden wie mit einem Kind. David ist zwar erst drei, aber ich hatte mir doch vorgenommen, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, also auf Höhe meiner Augen. Ich war der Meinung, man sollte auch ein Kind ernst nehmen, und zwar am besten, indem man es anspricht, wie man seinesgleichen ansprechen würde. Leider habe ich es nicht durchgehalten. Ich wüsste gern, wie David darüber denkt.

Würde ich auf Youtube sehen, wie ich mit David spreche, ich schämte mich. Ständig frage ich den Stand seines Befindens ab. "Alles gut?" - "Ja." - "Bist du fit?" - "Ja." - "Auch im Kopf?" - "Ja." Früh morgens geht es schon los, dann will ich wissen, wie er geschlafen hat, ob er schön geträumt hat, gesund ist oder Halsschmerzen hat. Ich stelle ausschließlich Fragen, auf die man nur mit "Ja" oder "Nein" antworten kann, und ich hoffe jedes Mal, dass David sie mit "Ja" beantwortet.

Vielleicht ist das psychologisch bedingt, eventuell hormonell. Ich bin der Vater, und ich möchte, dass es meiner Familie gut geht. Ich bin selten zu Hause, und ich muss mich versichern: Alles okay? Kann ich ruhigen Gewissens zum Jagen und Sammeln gehen? Ich bin der Versorger, ich will versorgen.

Mir geht es mit der Vaterschaft wie dem Touristen in Hell's Kitchen, der alle paar Minuten fühlt, ob das Portemonnaie noch in der Tasche steckt. Davids "Ja" bedeutet: Ich bin in Sicherheit.

Intellektuell ist meine Fragerei natürlich keine große Herausforderung für David. Er würde womöglich gern mal eine Frage gestellt bekommen, für deren Beantwortung er mehrere Sätze benötigt. Irgendwas, das die Synapsen zum Blitzen bringt. Etwas Komplexeres, Forderndes.

Aber er spielt das Spiel mit rührendem Gleichmut. Er weiß: Jeder übernimmt hier seine Rolle. Er ist der Sohn, ich bin der Vater, anders geht es nicht. Also fragte ich neulich auf der Autofahrt zum Kindergarten wieder: "Alles fit?" Und er antwortete vorausschauend: "Ja. Auch im Kopf."

Wir nickten und schwiegen. Wir wussten: Es ist alles gut.

(RP)
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