Düsseldorf Warum David Bowie sich nach Berlin zurücksehnt

Düsseldorf · Die neue Single des britischen Popstars handelt von Berlin. Dort lebte Bowie zwischen 1976 und 1979 – es war eine kreative Phase der Rockmusik.

David Bowie veröffentlichte in dieser Woche seine neue Single, die erste seit zehn Jahren, und sie handelt von Berlin. Im wehmütigen Videoclip von "Where Are We Now" sieht man die Straßen der Hauptstadt, Bowie singt dazu vom Potsdamer Platz, vom Club "Dschungel" und dem KaDeWe. Es ist eine Hommage an die ästhetisch wirkungsvollsten Jahre des größten lebenden Solokünstlers im Pop: Zwischen 1976 und 1979 lebte Bowie in der Mauerstadt.

Seine einstige Adresse Hauptstraße 115 in Schöneberg ist inzwischen Haltepunkt bei Stadtrundfahrten, dort wohnte er über einem Lager für Auto-Ersatzteile zeitweise mit Iggy Pop zusammen. Bowies Albumtrilogie "Low", "Heroes" und "Lodger" entstand in den Hansa-Studios, die nur 150 Meter von der Mauer entfernt lagen; er produzierte sie mit Brian Eno und Tony Visconti.

Vielleicht kann man sagen, dass kein Superstar vorher und nachher so viel Mut hatte wie Bowie in seiner West-Berliner Zeit. Wer sich noch einmal "Low" anhört, findet auf der zweiten Seite ausschließlich Instrumentalstücke; sie klingen düster, klaustrophobisch geradezu – kein Wunder, dass Christiane F. diese Musik als Soundtrack ihres Lebens bezeichnete. Es war eine radikale Abkehr von der Hitparadenmusik. "Auf solche Leute ist Kunst angewiesen", sagt der Schriftsteller Dietmar Dath über den Berliner Bowie.

Bowie kam aus Steuergründen nach Berlin, es war für ihn günstiger, im Ausland zu leben, außerdem brauchte er Erholung vom letzten Wohnsitz Los Angeles. Er war pleite und wog nur noch 50 Kilo; der Thin White Duke hielt eine strenge Diät aus Zigaretten, Milch und Heroin. In Berlin legte er sich den Look der expressionistischen Phase zu: schwarze Weste, schwarze Hose, weißes Hemd, zurückgekämmtes Haar.

"Berlin war meine Klinik", sagte David Bowie später, hier konnte er seine Lust am Disparaten befriedigen und sich vom Schmutz inspirieren lassen. Er kaufte ein Rennrad der Marke Raleigh, fuhr herum und schaute. Gegen 15 Uhr traf er seine Musiker im Studio, die Aufnahmen zogen sich mitunter bis in den Morgen. Und wenn die "Paris Bar" oder Romy Haags Nachtclub "Chez Romy" dann bereits geschlossen waren, dann schlug sich David Bowie zum Frühstück ein rohes Ei in den Mund.

Bowie nahm Kontakt zu den Düsseldorfer Gruppen Kraftwerk und Neu! auf, auf deren Alben meinte er Signale der Zukunft zu hören, und so wie die Kollegen wollte er auch produzieren: radikal, Musik und Performance als Einheit betrachtend, losgelöst von jeder Tradition. So oft es ging, besuchte Bowie das Brücke-Museum in Dahlem. Er kaufte Werke von Nolde und Erich Heckel, und eine Arbeit des letzteren gab den Anstoß zum berühmten Albumcover von "Heroes", für das sich Bowie mit eigenartiger Handhaltung fotografieren ließ.

Auch der Text des Titelstücks, das von zwei Liebenden im Angesicht der Mauer handelt, ist wohl nicht beim Blick aus dem Fenster des Hansa-Studios entstanden, wie der Mythos sagt. Die Eingebung empfing Bowie vielmehr durch Otto Muellers Gemälde "Liebespaar zwischen Gartenmauern" aus dem Jahr 1916, dem er ebenfalls im Brück-Museum begegnete.

Bowie tauchte in die Stadt ein, er nahm die Klischees der Boheme der frühen 20 Jahre an, und schließlich spielte er in dem Film "Schöner Gigolo, armer Gigolo" neben Marlene Dietrich, die hier zum letzten Mal auftrat. Der Generalisierer der Subkultur, der Vergrößerer ins Allgemeine hatte aufgetankt. Nun zog er weiter nach New York, um "Ashes To Ashes" einzuspielen.

Es blieben drei Platten: Die Bowie-Alben, die der Künstler selbst "Berliner Triptychon" nennt, dokumentieren eine der kreativsten Phasen der Rockmusik.

Info Lesenswert ist die Monographie "Helden" von Tobias Rüther, Rogner & Bernhard, 220 S., 19,90 Euro.

(RP)
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